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Glanz und Elend in der Weimarer Republik. Von Otto Dix bis Jeanne Mammen: Das Unbehagen einer Epoche

Bereits im Treppenhaus zur Ausstellung wird deutlich: Diese Ausstellung hat mit den goldenen Zwanziger Jahren eher weniger zu tun. „Glanz und Elend der Weimarer Republik“ in der Frankfurter Schirn richtet den Fokus nicht auf Glamour, Dekadenz und den vielzitierten Tanz auf dem Vulkan, sondern vielmehr auf politische Aspekte, Abscheu und Entsetzen. Entsprechend sind an den Wänden des Aufganges zur Ausstellung faksimilierte Wahlplakate aus der Zeit affichiert. Es ist nicht so, dass man nicht vor jener Partei mit dem Hakenkreuz gewarnt hätte und vor allen Dingen, die Frauen sollen sich angesprochen fühlen.

Frauen besetzten neue Berufe wie Telefonistin, Stenotypistin oder Verkäuferin, Frauen nahmen die Möglichkeit einer Universitätsausbildung wahr und wurden Ärztinnen, Juristinnen oder erlangten Meriten in anderen akademischen Bereichen. Frauen in der Weimarer Republik waren selbstbewusst, gefragt wie gefordert, nicht nur weil 1,5 Mio. Kriegsversehrte versorgt sein mussten.

Die Folgen eines verlorenen Krieges, wachsende Industrialisierung, soziale Missstände und sinkende Moral werden zu Themen, die von der Kunst aufgenommen und schonungslos wie detailreich geschildert werden. Freilich, man kennt Otto Dix, George Grosz, Georg Scholz, Rudolf Schlichter, Christian Schad oder Karl Hubbuch, allesamt Meister der neuen Sachlichkeit und freilich sind sie auch mit dem einen oder anderen Werk in der Frankfurter Ausstellung vertreten. Doch scheint es der Kuratorin Ingrid Pfeiffer weniger um blockbustertaugliche Höhepunkte gegangen zu sein, als um ein politisch engagiertes, umfassendes Spektrum und einen erstaunlich hohen Anteil an weiblichen Positionen. Immerhin sind rund ein Drittel der Arbeiten in der Ausstellung von Künstlerinnen wie Jeanne Mammen, Elfriede Lohse-Wächtler, Hanna Nagel oder Dodo, hinter der sich Dörte Clara Wolff verbirgt.

So reihen sich neun thematische Räume, unter ihnen auch welche, die Prostitution, Paragraf 218 (Schwangerschaftsabbruch) und §175 (sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts) , Industrielandschaften oder Sport behandeln, zum Defilee. So weit, so interessant. Dennoch verlässt man etwas enttäuscht diesen vielstimmigen Gleichklang, denn die Auswahl beschränkt sich bis auf marginale Ausnahmen auf Malerei und Grafik als Belege der einzelnen Aspekte. Was schmerzlich fehlt ist Fotografie und Film, beides eher junge Medien, in denen sich Frauen behaupteten.

Auch wäre es womöglich erhellend gewesen, zu erzählen, wie einzelne Aspekte ineinander greifen und mitnichten als Einzelphänomene zu betrachten sind. Renée Sintenis etwa, von der kleine skulpturale Sportler in der Ausstellung vertreten sind, war die erste Professorin für Bildhauerei an der Berliner Akademie, begeisterte Autofahrerin eines Studebaker, den sie nach dem finnischen Läufer Nurmi nannte, und mit ihrem oftmals abgebildeten androgynen Aussehen signaturhaft für ein neues Frauenbild stand, wäre so ein Beispiel gewesen. Doch das ist vielleicht eine ganz andere Ausstellung.

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Glanz und Elend in der Weimarer Republik. Von Otto Dix bis Jeanne Mammen
27.10.2017 - 25.02.2018

Schirn Kunsthalle Frankfurt
60311 Frankfurt am Main, Römerberg
Email: welcome@schirn.de
http://www.schirn.de
Öffnungszeiten: Di - So 11.00-19.00 Uhr, Mi - Sa 11.00-22.00 uhr


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