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Man ist stets gerne zu Diensten

Nicht weniger als die Verbesserung der Welt hat sich die Vienna Biennale dieses Jahr vorgenommen. Im Licht der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung präsentieren das Architekturzentrum Wien, das MAK, das Angewandte Innovation Laboratory und die Kunsthalle Wien am Karlsplatz Projekte, die sich mit der „Digitalen Moderne“ (Christoph Thun-Hohenstein) und ihren gesellschaftlichen Auswirkungen auseinandersetzen.

Im Angewandte Innovation Laboratory stellen die Kuratoren Anab Jain und Gerald Bast die Frage nach der Arbeit der Zukunft und versammeln dabei Projekte, die das Thema durchaus subversiv angehen. Stefan Bogner und Philipp Schmidt etwa treiben die zunehmende Verschmelzung von Arbeit und Freizeit auf die Spitze indem Sie einen Automaten vorstellen, mit dem sich z.B. während der Wartezeit auf Bus oder U-Bahn Geld verdienen lässt. Sam Lavigne hat 2015 eine Website online gestellt, die einen Computer während des Surfens heiß laufen lässt und so die Arbeitsgeschwindigkeit heruntersetzt. Bastien Kespern und Estelle Harry von Design Friction stellen mit Wearables, sensorbestückter Kleidung die ständig Daten über die Trägerin oder den Träger versendet, die Frage nach dem Wert unserer Daten und den Möglichkeiten, damit ein „arbeitsloses“ Einkommen zu erzielen.

Das MAK als zentraler Austragungsort der viennabiennale beherbergt gleich mehrere Ausstellungen, die sich dem Thema Robotik auf unterschiedlichen Ebenen nähern. „Hello, Robot“ beginnt mit jenen Visionen, die Science-Ficition, Musik, Film und Spielzeugindustrie von der Zukunft hatten. Spielzeugroboter stehen brav in ihren Vitrinen oder als fast lebensgroße Modelle im Weg, Filmplakate spiegeln hinter Glas und Kraftwerk singt „Wir sind die Roboter“. Das mag als kurzweiliger Einstieg in das Thema gedacht sein, nachhaltig Eindruck hinterlässt das dichte Sammelsurium aber nicht. Im zweiten Teil der Ausstellung reihen sich dann unterschiedliche robotische Produkte und Projekte aneinander. Vom viel diskutierten Roboterhund AIBO von Sony aus den frühen 2000er Jahren, der seine Artifizialität hinter dem Plastikchassis gar nicht verstecken wollte, war es offenbar nur ein kleiner Schritt zum BEAR des US-Militärs, einem „Battlefield Extraction-Assist Robot“ der Verletzte aus der Kampfzone retten und dabei mit seinem Teddybär-Kopf auch gleich das „Wohlbefinden der von ihm geretteten Verwundeten“ steigern sollte. Haushaltsroboter, humanoide Roboterprojekte, 3D-gedruckte Möbel und T-Shirts, visionäre Architekturprojekte sowie Nachhaltigkeitskonzepte bevölkern die MAK-Ausstellungsräume in der Weiskirchnerstraße. So richtig in Schwung gerät die Ausstellung aber nicht. Zu weit ist der zeitliche Rahmen der Projekte gesteckt und ob das Selbst-Drucken von Kleidung und Möbeln wirklich zum allgemeinen Wohlstand beitragen wird, kann auch die „Stadtfabrik: Neue Arbeit. Neues Design“ in der oberen Ausstellungshalle der Weiskirchnerstraße nicht beantworten.

Vielmehr beschleicht einen angesichts der vielen kollaborativen Ideen und Gemeinwohlprojekte dort das Gefühl, dass die herrschende kapitalistische Ökonomie genau diese Selbstorganisation in kleinen dorfähnlichen Strukturen braucht, um munter weiter machen zu können. Wer benötigt denn noch ein funktionierendes und leistungsfähiges Sozialsystem, wenn Prothesen zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten aus dem (heimischen) 3D-Drucker kommen? Wie überhaupt das dreidimensionale Drucken als die eierlegende Wollmilchsau der Visionen einer neuen Ökonomie daherkommt. So sinnvoll der selbst gedruckte Wasserfilter für herkömmliche Einweg-Plastikflaschen gerade für Gegenden mit schlechter bis gar keiner Wasserversorgung ist, die fortschreitende Privatisierung und der Raubbau an sauberem Trinkwasser durch Großkonzerne rückt damit eher an den Rand als ins Zentrum politischen Handelns.

Kunst rettet nicht die Welt, aber manchmal eine Ausstellung
Wohltuend widerständig und auf einer erfrischend anderen Ebene gedacht, präsentieren sich dagegen die künstlerischen Ausstellungsprojekte der Vienna Biennale. Die Kuratorinnen Janina Falkner und Marlies Wirth setzen im Untergeschoß des Haupthauses schon mit dem Ausstellungstitel einen Kontrapunkt. „Ich weiß nicht“ zitiert einerseits eine Arbeit von Birgit Jürgenssen, weist aber angesichts der vielen lösungsorientierten Designprojekte der anderen Ausstellungsteile darauf hin, dass Kunst zuerst einmal nicht dazu produziert wird, um die Welt besser zu machen und dass Ratlosigkeit auch ein Anstoß sein kann, Neues zu denken. „Der Landmensch (Fetisch)“ von Padhi Frieberger kann so als ironischer Kommentar zu den allerorts zelebrierten Gemeinschaftsgärten in der Stadt gelesen werden. Auch Patrick Topitschnigs Videoarbeit Mark&Garry über die recht konjunktursichere Arbeit als Totengräber zeigt einen real existierenden Job, dessen Automatisierungspotential aktuell noch sehr beschränkt erscheint. Bruno Gironcolis anthropomorphe Figuren könnten auch einem Designstudio entsprungen sein das versucht zu ergründen, wie viel menschliche Gestalt ein Android gerade noch haben muss, um in unserer Gesellschaft akzeptiert zu werden.

Was macht es, angesichts der fortschreitenden Prothetik und den Ideen einer Symbiose von Mensch und Roboter aus, menschlich zu sein? Kiki Smith hat in „Untitled“, 1992/93 zwölf verspiegelte große Glasflaschen mit den „Essenzen“ menschlichen Lebens – Blut, Schweiß, Tränen, Speichel, Eiter, Erbrochenes, u.s.w. – beschriftet. Die Arbeit befindet sich in dem von Marlies Wirth zusammengestellten Ausstellungsteil „Artificial Tears“ und bietet ein Gegenbild zu den Roboterarmen und Videolinsen hinter künstlichen Pupillen in „Hello Robot“. Roboter können eben nicht kotzen. Cecile B. Evans` Livestream-Installation „Working on What the Heart Wants“ zeigt den vernetzten Arbeitsplatz der Künstlerin und damit das kreative Potential kollaborativer künstlerischer Produktion.

Ausrangiert hängt ein mächtiger Haken an der Wand. Die Kette an der er befestigt ist, scheint zu kurz um noch Lasten in die Höhe zu hieven. Toni Schmales „hafenperle II“ imaginiert die zunehmende Automatisierung in den Containerhäfen. Die Lasten werden von automatisierten Kränen auf selbstfahrende Transporter gestellt. Menschliche Arbeitskraft wird höchstens im Kontrollraum gebraucht, in dem man den Robotern bei der Arbeit zuschaut. Was also tun um weiter Beschäftigung zu finden, wenn man von Maschinen outgesourct wurde? Genau: Fit halten, so wie es Hannah Black in ihrem Film „Bodybuilding“ imaginiert. Die Disziplinierung des Körpers ist für die Kuratorinnen Anne Faucheret und Eva Meran ein zentrales Moment in der Ausstellung „Work it, feel it“ den die beiden für die Kunsthalle Wien am Karlsplatz zusammengestellt haben. Auch hier imaginieren Roboter keine strahlende Zukunft, sondern kommentieren KünstlerInnen die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen und zunehmende Selbstausbeutung in unserer Gesellschaft. Normierte Schönheit ist dabei Teil der geforderten Selbstoptimierung, wie sie Shawn Maximo in der Installation „Creeper Comforts (Specialty Multi)“ vorführt. Aber auch im Kunstbetrieb selbst, oft bezeichnet als die Zukunft kreativer Arbeit und Selbstverwirklichung, ist Flexibilität oberstes Gebot und selbstbestimmte Arbeit kaum Realität. „[x] hours before deadline“ des Künstlerduos Juliette Goiffon und Charles Beauté, präsentiert daher eine futuristisch anmutende Synthese aus Homeoffice und Fitnessstudio. Was also tun um sich der kapitalistischen Verwertungslogik zu entziehen? Danilo Correale schlägt in seiner Videoarbeit „No More Sleep No More“ den Schlaf als Widerstandshandlung vor. Erst im Schlaf sind wir wieder ganz bei und für uns – wenn der vernetzte Pyjama bloß keine Vitaldaten an einen Versicherungskonzern schickt.

 

Vienna Biennale 2017
Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft
21. Juni – 1. Oktober 2017
Alle Ausstellungen und Veranstaltungen unter: http://www.viennabiennale.org

 

* Der Titel ist ein Zitat aus „Der 200 Jahre Mann“ (1999), gesprochen von Robin Williams als A. (Android) Martin

Mehr Texte von Werner Rodlauer

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