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Stadtmöblierung statt Mobilisierung

Zum fünften Male finden heuer die „skulptur projekte“ in Münster statt, doch noch nie war die Kunst-im-öffentlichen-Raum-Veranstaltung so konzept- und belanglos wie dieses Jahr.

Fast fühlt man sich bei dieser Ausgabe der „skulptur projekte“ wie im Kunstgeschichtsunterricht, denn hier gelingt nicht mehr als das brave Durchdeklinieren eben der künstlerischen Grammatiken, die seit den 1980er Jahren für die Kunst im öffentlichen Raum typisch sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist Justin Matherlys Skulptur „Nietzsches's Rock“, 2017, die den sogenannten „Nietzsche-Felsen“ in Originalgröße nachstellt. In klarer Tradition zu den „Modellbauern“ der 1980er Jahre steht diese Arbeit, die ohne jeden Ortsbezug in Münster auf einer Grünfläche platziert ist. Ein Ahnherr solcher Kunst ist dann zudem noch in der Ausstellung vertreten, nämlich Thomas Schütte mit seinem „Nuclear Temple“, 2017, der so etwas wie einen „atomaren Bunker“ darstellt. Auch Christian Odzucks aus Recylingmaterial hergestellte Aussichtsplattform „OFF OFD“, 2017, meint man nicht zum ersten Mal gesehen zu haben, genauso wie der vor dem LWL-Museum aufgestellte Container „Benz Bonin Burr“, 2017, von Cosima von Bonin und Tom Burr. Und auch die erotischen Bronzenskulturen „Sketch for a Foutain“, 2017 von Nicole Eisenman kommen einem nicht von ungefähr überaus bekannt vor.

Insgesamt findet sich jetzt in Münster also kaum eine Kunst, die wirklich neue Wege zu gehen versucht. Dieses gilt auch ein wenig für die trotzdem mit Abstand beste Arbeit der Ausstellung, nämlich für der in nahezu jeder Besprechung positiv erwähnte Beitrag von Pierre Huyghe „After ALife Ahead“, 2017, der aus einer ausgedienten Eislaufhalle besteht, die der Franzose umgestaltet hat in ein beeindruckendes Endzeit-Szenarium, in dem unter dem einstigen Betonboden liegende Erdschichten freigelegt zu sein scheinen und in dem zudem ein bizarrer biologischer Mikrokosmos verortet ist, in dem u. a. ein Pfauenpärchen lebt. Deutlich spielt diese beeindruckende Land-art-Rauminstallation an Huyghes Beitrag zur documenta 13 an, in dem ein lebender Hund eine entscheidende Rolle spielte.

Gemeinsam ist allen in den „Skulptur Projekte Münster“ ziemlich konzeptlos versammelten Arbeiten jedoch nicht nur ihr ungewollter Retrolook, sondern auch ihr gewollt apolitischer Charakter - Hito Steyerls Videoinstallation „HellYeahWeFuckDie“, 2017, in der es u. a. um den kurdischen Bürgerkrieg in der Türkei geht, fällt da als einzig deutlich aus der Reihe.

Dass die „Skulptur Projekte“ von breiten Kreisen der Medien, insbesondere der "Welt", der "Zeit" und der "FAZ" eben deswegen, also einerseits wegen des musterschülerhaften Erfüllens konventioneller Kunststandards und andererseits wegen ihres, von den Kuratoren bewusst inszenierten, artigen Unkritischseins, als Bashing an der documenta 14 eingesetzt werden, das ist nur noch peinlich.

Skulptur Projekte 2017
10.06. - 01.10.2017
www.skulptur-projekte.de

Mehr Texte von Raimar Stange

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