Werbung
,

Welt Kompakt?: Manifestationen eines Soziotops

Die Ausstellung „Welt Kompakt?“ verhandelt in einem Moment, in dem länderspezifische Ausstellungen seit mindestens 15 Jahren obsolet geworden sind, die sozialen Strukturen eines Landes, das als solches jedoch nicht im Vordergrund der Thematisierung steht, sondern aufgrund seiner Größe jeden erdenklichen Mikrokosmos bietet, der überall auf der Welt zu finden ist und daher dem Titel entsprechend in einer Kompaktheit und Komprimiertheit auftritt.

Obwohl es nicht verborgen bleibt, dass es sich bei dieser Ausstellung um eine künstlerische und kuratorische Annäherung an Brasilien handelt, gelingt es Kuratorin Ursula Maria Probst KünstlerInnen, Aktivistinnen und ArtivistInnen des Landes zu versammeln und diese auch mit österreichischen Positionen zu verbinden, deren Arbeiten zu spezifischen sozialen und identitätskritischen Fragen Stellung nehmen. Im Vordergrund der Debatte steht ein Pluriversum an Identitäten, von denen sich viele in einem queeren Übergangsbereich befinden, wodurch hier unterschiedliche Lebensmodelle in die Kunst übertragen werden. Die Qualität der Ausstellung liegt in einer Verquickung von popkulturellen Elementen des brasilianischen Alltags mit überhöhten Repräsentanzmomenten einer Realität, die zahlreiche künstlerische Artikulationsformen ermöglicht. Dies manifestiert sich in 31 Positionen und einem dichten Netzwerk an Referenzen und Gegenreferenzen, wenn Miss G., a.k.a. Giorgia Conceição die Welt der Burlesque ergründet, Luiz Roque einen poetischen Film mit utopischen Komponenten über afrobrasilianische schwule Jungs dreht oder Anna Jermolaewa ein Video über das Tanzen und über Pipas (Drachen) am Markt von Rio zeigt.

Zentral für die Ausstellung steht ein performativer Umgang mit der Realität eines Landes, in dem Körper eine wichtige Rolle spielen, an die sich die vertretenen KünstlerInnen in jeder nur erdenklichen Weise annähern. Letzteres potenziert sich in acht übergroßen Flaggen von Daniel Lie, die quer durch den Ausstellungsraum von der Decke hängen und Selfies von Wunden des Künstlers zeigen, die er aufgrund von allergischen Reaktionen entwickelt. Politiken des Körpers aber auch die Politik des Landes werden in dieser Ausstellung in einem Ausmaß verhandelt, das ein Spektrum von positiv und negativ konnotierten Handlungsformen in einem spezifischen Soziotop auslotet und diese künstlerischen Demokratisierungsprozessen unterwirft.

Mehr Texte von Walter Seidl

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Welt Kompakt?
23.06 - 03.09.2017

MQ Freiraum
1070 Wien, Museumsplatz 1
https://www.mqw.at/mqfreiraum
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: