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Streetart - Die Straße und das Geld

Blek Le Rat kann gönnen. Der Franzose gilt als einer der Väter der Street Art. Ihm kam Anfang der 80er Jahre die Idee, die Pochoirtechnik für die Anwendung auf der Straße zu nutzen. Eines seiner berühmtesten Motive ist die mittels einer Schablone auf Hauswände gesprühte Ratte. Die stencils waren geboren. Nein, deren Erfinder war nicht Banksy, sondern Jahrzehnte vorher eben Blek Le Rat. Das ganz große Geld hat dann jedoch der berühmteste Unbekannte des Kunstmarkts gemacht. Doch das stört Blek Le Rat nicht. Der Mann verströmt die gelassene Ruhe eines älteren Herrn, und tatsächlich ist er im Pensionsalter, was man allerdings erst glaubt, wenn er es einem erzählt, denn anzusehen sind ihm die 66 Lebensjahre nicht. Unter den Künstlern der Ausstellung "Magic City", die gerade im Münchener Olympiapark läuft, gehört damit zu den Großvätern. Die meisten der rund 60 Künstler sind in ihren Zwanzigern und damit schon einige Generationen entfernt. Den größten Teil seines Erwerbslebens habe er sich mit Brotjobs über Wasser gehalten, erklärt Blek. Meistens habe das Lehrerinnengehalt seiner Frau Sibylle den Unterhalt der Familie bestritten. Gelernt habe er mal Architekt, aber nie wirklich in dem Beruf gearbeitet. Ende der 70er, noch als Student, habe er in New York erstmals Straßenkunst gesehen und sei sofort Feuer und Flamme gewesen. Zurück in Europa habe er dann überall, wo er hinkam, seine Spuren hinterlassen, häufig habe er mit einem Bein im Gefängnis gestanden, weil die französischen Behörden bei seiner Idee einer demokratischen Kunst überhaupt keinen Spaß verstanden hätten. Aber schon in den 80ern habe es die Street Art in die Galerien geschafft, es habe eine sehr lebendige Szene gegeben. Begeisterte Sammler hätten damals aus Leidenschaft so viel der damals noch sehr preiswerten Werke gekauft, dass er und eine ganze Reihe seiner Kollegen und spezialisierte Galerien gut davon hätten leben können. Bis zum zweiten Golfkrieg 1990. Da sei der Markt schlagartig zusammengebrochen. Und habe sich auch nicht wieder erholt. Zur Erinnerung: 1989/90 erlebte der Kunstmarkt ebenfalls einen damals als katastrophal empfundenen Einbruch, bei dem vor allem der Impressionisten-Markt kollabierte. Im Gegensatz zum 'richtigen' Kunstmarkt habe sich der Markt für Straßenkunst aber nie wieder erholt, so Blek. Fast fünfzehn Jahre lang hab er praktisch gar nichts verkauft - die Sammler aus Leidenschaft seien nicht nachgewachsen, die Galerien eingegangen. Erst Mitte der Nuller Jahre habe der Markt sehr schnell und stark angezogen. Es seien jedoch ganz neue Leute gewesen, die sich vorher gar nicht für Kunst Street Art interessiert hätten. In London hätten plötzlich Menschen aus der Finanzwelt angefangen, ihre Boni in Galerien zu tragen und dort schwungweise Kunst aus Investmentgründen zu kaufen. Seitdem sei auch er wieder gut im Geschäft. Bis zu 25.000 Euro kosten seine größeren Formate jetzt. Eine Ausstellung in Chicago vor wenigen Wochen sei innerhalb von zwei Tagen ausverkauft gewesen. Zu genau dieser Zeit vor etwas mehr als einem Jahrzehnt begann auch Banksys kometenhafte Marktkarriere. Nicht zuletzt er hat diesen Boom überhaupt erst ausgelöst. Kurz vor der Bankenkrise durchbrachen seine Werke auf Auktionen die Millionengrenze. Banksy profitierte zwar nicht direkt von diesen Sekundärmarktgeschäften, doch seine Firma Pest Control verkauft ebenfalls Unikate und Editionen, die im Gegensatz zu Stromkästen und Wandgraffiti signiert sind. Wie weit Banksy, der sich vordergründig immer der Kommerzialisierung von Straßenkunst entzieht, den Hype um seine Person und seine Werke selbst befeuert, ist kaum auszumachen. Denn in der Szene selbst ist das Bewusstsein für die eigene Geschichte so gut wie nicht vorhanden, und die Institutionen verweigern sich der Kunstform bis heute mit einer erstaunlichen Hartnäckigkeit. Zwar gab es da mal eine Ausstellung im PS1 und ab und zu werden Street Artisten auf Symposien oder Workshops von Museen oder Hochschulen eingeladen. Doch Geschichte, Strukturen, Künstler und Oeuvres sind sind wissenschaftlich nach wie vor Terra incognita. Wurden in den 80ern kulturelle und gesellschaftliche Relevanz dieser Kunstform nicht erkannt, scheint es den verschiedenen Disziplinen heute schwer zu fallen, diese Versäumnisse einzugestehen und nachzuholen. So verwundert es nicht, dass das Selbstverständnis der Protagonisten Brüche aufweist. Dabei tun sich erstaunliche Parallelen auf: Während es in den USA oder in China oder generell im obersten Preissegment nicht anrüchig ist, Bildende Kunst auch und bisweilen sogar vor allem unter Investmentgesichtspunkten zu sehen, spricht man in Europa oder bei dem Teil der Kunstszene, die sich als Avantgarde versteht, immer noch nicht gerne über Geld. Das geht so weit, dass Junggaleristen auf Kunstmessen die Nennung von Preisen verweigern. Als würden ökonomische Rahmenbedingungen verschwinden, wenn man sie leugnet. Ähnlich ist es bei der Street Art. Der Hauptkurator der Münchener Ausstellung Carlo McCormick ist selber Autor und begleitet die Szene seit Jahrzehnten. Er ist in dieser Beziehung ziemlich entspannt: "Jeder muss mit einem anderen Teufel ins Bett gehen, um zu überleben. Daher gibt es einige Künstler, die Drucke verkaufen. Also können sich einige Leute die Kunst zuhause angucken. Aber die ursprüngliche Idee ist natürlich, Kunst allen kostenlos zugänglich zu machen." Andererseits habe die Monetarisierung auch die Legalisierung zur Folge: "Hier haben wir die Chance, die Kunst auf ein nächstes Level zu heben, ohne die Polizei im Rücken. Diese Institutionalisierung widerspricht natürlich auch wieder der ursprünglichen Idee." Ihm ist durchaus bewusst, wie schmal der Grat zwischen Street Credibilty und kommerziellem Mainstream ist: "Vieles von dem, was unter dem Label Street Art vermarktet wird, ist Kitsch." Aber soll dafür doch Geld ausgeben, wer will und kann. Eine jüngere Kollegin, die ebenfalls an dem Ausstellungsprojekt beteiligt, geht hingegen sofort auf Konfrontationskurs, als die Sprache auf ökonomische Zusammenhänge kommt. Was denn am Geldverdienen falsch sei, es gehe doch auch nur um Kleinbeträge, 25.000 Euro pro Bild seien doch kein Geld, ob die Künstler denn von Almosen leben sollten etc. pp. Im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, dass die junge Dame gleichzeitig für Jeffrey Deitch arbeitet. So verstricken sich die Verfechter der Street Art in dieselben Widersprüche, mit denen die tradierte Kunst seit Jahrzehnten kämpft. Tatsache ist jedenfalls, dass die umfassendste Schau, die in Deutschland jemals der Street Art ausgerichtet wurde, von einem kommerziellen Veranstalter gestemmt wird, der Tochter einer Konzertagentur. Es wurde ein Katalog produziert, die Rechte der Künstler sind vertraglich genau geregelt, es gibt Workshops und Publikumstermine mit einigen der beteiligten Künstler und im Anschluss geht die Ausstellung auf Welttournee, wobei an jedem Ort neue Arbeiten entstehen. Und das alles zu einem Eintrittspreis, der nur leicht über dem für einen Museums- oder Kinobesuch liegt. -- Eine aktuelle Rezension der Ausstellung Magic City finden Sie hier
Mehr Texte von Stefan Kobel

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