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Baumelnde Häschen

Petit Four in Punsch

Hat schon jemals jemand daran gedacht, dass “Da Vinci” etwas mit Siegen zu tun haben könnte? Ja, es gibt einen Ort, der sich so nennt. Doch die Ähnlichkeit von Leonardos Heimat zum Verb “vincere”, “siegen”, “jemanden bezwingen”, lässt sich nicht unterdrücken. Zumindest jetzt nicht mehr. Mona Lisa schaut von einer rosa Tasche hervor. Die geheimnisvolle Mundpartie ist noch zu sehen und die Schlitze der Augen. Über das Bild ist in großen Lettern der Name ihres Schöpfers festgehalten, “Da Vinci”, steht kantig, weiß und schmucklos, wie von Ed Ruscha von einer Autobahnraststätte abgeschaut. Daneben verteilen sich noch einige Sterne. Den weißen Markierungen korrespondieren zwei Signaturen, links der Hersteller: LV für Louis Vuitton, rechts JK für den Künstler. Ja ein Künstler hat das gemacht, ein “Siegerkünstler” (Wolfgang Ullrich). Es ist - wie könnte es anders sein - Jeff Koons, der einzige, der es mit Leonardo aufnimmt. Die Kulturindustrie basiert, wie der Name schon sagt, auf einer Abwanderung des Formenvokabulars der Kunst in die massenhafte Produktion. Der Warencharakter ist der Verbreitung geschuldet, aber auch – und das ist weniger bekannt – einer Collagetechnik, die ein kleines Stück Verwertbares aus einem größeren Ganzen heraus trennt. In der bildenden Kunst wird dies weniger deutlich als in den zeitbasierten Medien, wo in der Kürze die Vertriebstauglichkeit liegt. In Film und Musik sind die Entertainment-Bruchstücke üblich. Sie werden als Jingles und Trailer vertrieben. Sie sind kurze Kostproben, die Petit Four der Kunstverwertung. High und Low, hoch und nieder, sind also nicht nur eine Frage von Zahl, sondern auch von Extrakten und der Essenzdichte von Miniaturen. Und so auch hier. Die Mona Lisa wird beschnitten, sodass aus einem Hochformat eine Handtasche werden kann, darüber ein Netz aus dekorativen Logos. Koons, selbst ein Sammler von Alten Meistern, also Werken, die noch nicht mit ihrer massenhaften Kopierbarkeit zu konkurrieren hatten, belegt auf ein Neues, wie sehr er es versteht, das Hohe durch das Hohle zu ersetzen. Die gewählten Motive könnten nicht offensichtlicher, aufdringlicher und peinlicher sein. Die Taschen, die er mit Leonardo, und mit Fragonard und van Gogh bedrucken lässt, wollen nämlich nicht Bedeutungsträger, sondern Branding Produkte sein, die sich als solche zur Schau stellen. Sie sind wie die Sieger, die keine andere Referenz nötig haben, außer sich auf andere Sieger zu beziehen. Darum auch der baumelnde Hase aus rosa Leder. Er ist der Verweis auf das eigene Werk, das erfolgreichste und teuerste, das Koons je auf den Markt brachte, ein Petit Four in Punschfarbe.

Mehr Texte von Thomas D. Trummer

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