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Köstlich?

In einem ihrer Briefe aus Wien, die sie regelmäßig an das Fachblatt „Kunst und Auktionen“ schickt, ist Nina Schedlmayer gerade auf Erwin Wurm zu sprechen gekommen. Der sei „mittlerweile schon etwas zu breitflächig gehypt“. Das kann man genau so sagen. Jetzt soll er auch noch für Ironie zuständig sein. Das Leopold Museum jedenfalls gibt sich vielfach per Saal- und Katalogtext Mühe, Wurm zu einem Ironiker zu machen. Und das in Zusammenarbeit mit Carl Spitzweg, der den Kompagnon abgibt, den Kopylonen, um im Jargon zu bleiben, für einen Brückenschlag über eineinhalb Jahrhunderte hinweg. Titel der Veranstaltung in genauester Zeichensetzung: „Köstlich! Köstlich?“ Nein, Wurm ist kein Ironiker. Spitzweg ist einer, und es bleibt ihm auch nichts anderes übrig. Ironie ist die Angelegtheit einer zusätzlichen Lesart in der offensichtlichen. Die ist wunderbar, wenn es darum geht, zum einen die Zensur zu überlisten und zum anderen den eigenen Zirkel zu bedienen, der es immer schon anders und entsprechend richtig wusste. Ironie ist Spitzwegs Überlebensformel in der Autokratie – nicht von ungefähr hat ein Totalitarist wie Jean-Jacques Rousseau ein „Ironiezeichen“ gefordert, damit er und seinesgleichen Gewissenkontrolleure allem auf die Schliche kommen. Ironie ist der Umweg der Schliche. Damit wäre ein Brachialiker wie Wurm dann doch überfordert. Carl Spitzweg, Jagdunglu?ck, 1839, Öl auf Leinwand, 24,4 × 21,9 cm, Foto: Museum Georg Schäfer, Schweinfurt Wurm ist, wenn es gut geht, witzig. Noch lieber macht er seine Witze auf Kosten anderer, doch das gehört, glaubt man Sigmund Freud, zum Mechanismus ohnedies hinzu. Witz funktioniert triadisch, sagt Freud, es bedarf eines Dritten, der ihn autorisiert. In Wurms Fall ist dieses Dritte die Autorisierungsinstanz schlechthin. Sie nennt sich Kunst. Sich in die einminütig-einmütigen Posen zu fügen, bedeutet Skulpturenproduktion, und da spielt man gern den Deppen. Ist ja auch nur kurz. Bisweilen sind die Verrenkungen ja wirklich witzig. Jedenfalls bedarf es der Brachialität des Buchstäblichen. Da gibt es kein Dahinter, keine tiefere Bedeutung. Bilder sind die gesamte Moderne hinweg auf Einsinnigkeit verpflichtet, und in dieses Mir Nichts Dir Nichts einer unmittelbaren Deutlichkeit setzt Wurm seine Inszenierungen. Das kann er perfekt und womöglich ist diese Punktgenauigkeit der Schlüssel seines Erfolgs. Die Schnellschüsse der Einminütigkeit kehren ein längst gängiges Rezeptionsverhalten dann in eine Produktionsprämisse um. Das ist alles schon sehr geschickt. Erwin Wurm, Landadel, 2008, Silbergelatineabzug, 80 × 69 cm, Privatbesitz, Foto: Studio Erwin Wurm, © Bildrecht, Wien, 2017 „Hilarious! Hilarious?“ lautet die englische Version des Titels. Hilarious heißt heiter. Heiterkeit schließt so etwas wie eine Mentalitätsfrage ein, und die vielleicht einnehmendsten Künstler der Moderne waren gerade darin Meister: Picasso und genauso sein Antipode Matisse, Picabia und sein Antipode Magritte ließen in der Brachialität ihrer Formationen und Deformationen einen Grundton der Leichtigkeit und mediterranen Lebensfreude anklingen. In diesem Sinn geben Wurms Vorschläge für eine Kurzzeitkunst einer gewissen Losgelöstheit Raum. Noch dazu, wo sie gleich vorüber gegangen sein werden. Das ist alles schon sehr geschickt. Ironisch ist es nicht. -- Leopold Museum, Wien Carl Spitzweg - Erwin Wurm, Köstlich! Köstlich? 25.03.2017 - 19.06.2017
Mehr Texte von Rainer Metzger

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