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Marcel Odenbach - Beweis zu nichts: Ruhige Arbeit entlang des Schreckens der Geschichte

Immer wieder steigt leichte Skepsis auf, im Zuge der Auseinandersetzung mit Projekten von Marcel Odenbach. Denn als deutscher Künstler aus jener Generation kommend, die unmittelbar mit den Kontinuitäten des Nationalsozialismus in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik und ebenso in der Anfangszeit der DDR konfrontiert war, fragt Odenbach nach den Möglichkeiten, zu erinnern und Geschichte kritisch zu reflektieren. Deshalb transportieren die filmischen Videoarbeiten Odenbachs auch etwas von der realen Schwere und der Tragik des mit Gewalt und Vernichtung beladenen 20. Jahrhunderts. Die Bildsprache des Künstlers bewegt sich in der Nähe eines Pathos, der nur allzu leicht unzeitgemäß wirken könnte und reflexartig an die Parameter des sozialistischen Realismus erinnert. Doch dies ist der Punkt. Behutsam führt Odenbach in Räume des Nachdenkens, indem er von den großen Zeichen ausgeht, die für Genozid, für Massenvernichtung und aktuell für das Management des Todes an den Grenzen Europas stehen. Dabei geht er von Bedeutung tragenden Symbolen, welche für die Versuche stehen, eine Erinnerungskultur herzustellen. Fragend umkreist Odenbach kulturelle und politische Zeichen. Beispielsweise untersucht er in einem Film das Mahnmal im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald, das Bertolt Brecht und Fritz Cremer entwarfen. Symbolisch steht es für die Überwindung des Nationalsozialismus durch den Kommunismus und damit für die ideologische Rahmung von Geschichtsbildern. Es ist, als würde die Bewegung der Kamera, Schicht für Schicht die Schrecken der Geschichte frei legen wollen und letztlich doch nur Oberflächen abtasten. Dass der Titel des Werks einem Gedicht Ingeborg Bachmanns entstammt, in dem sie den Fortbestand von Opfer-Täter Strukturen in der Nachkriegszeit thematisierte, verweist auf eine Grunderfahrung kritischer Intellektueller und Künstler: In den 1950er und 60er Jahren, als die künstlerische Avantgarde in Köln und Düsseldorf sich für Informel und Minimalismus interessierte, ging der politische Diskurs nämlich von der Literatur und den Geisteswissenschaften aus; und kaum etwas kam von Seiten der Kunst. Die Frage wie Erinnerung und Gedenken, symbolisch formalisiert werden können, warf Marcel Odenbach bereits in seinem – ebenfalls präsentierten – Film »Im Kreise drehen« auf. Darin nähert sich die Kamera dem Mahnmal im ehemaligen Konzentrationslager Majdanek im polnischen Lublin an. Dass Odenbach oft so etwas wie eine vertraute Atmosphäre aufbaut, die sich dann sukzessive entlarvt, zeigt sich an Hand des Werks »Die Gute Stube«. Die Idylle ist jene von Hitlers Berghof auf dem Obersatzberg mit Blick auf die umliegende Landschaft. Allerdings handelt es sich weder um Malerei und Zeichnung, sondern um eine Collage mit hunderten winzigen Fotos aus der Nazi-Zeit. Nur scheinbar arbeitet Odenbach klassisch dokumentarisch, im Stil eines Realismus. Vielmehr nähert er sich aus einer Meta-Ebene an und fragt nach der Bedeutung kultureller Symbole. Weiterhin dramatischen Zeitbezug hat hier das Video »Im Schiffbruch nicht schwimmen können« aus dem Jahr 2011. Es zeigt drei in Frankreich lebende Männer aus dem Afrika südlich der Sahara im Louvre wie sie das Gemälde »Das Floß der Medusa« von Théodore Géricault aus dem Jahr 1819 betrachten. In einem viel umfassenderen Sinn spannt Marcel Odenbach einen Raum auf, in dem an Hand signifikanter Details die Frage gestellt wird, welches aktuell die dominanten kulturellen Narrative sind und was sie auslösen. Für die Ausstellung in der Kunsthalle Wien führt Odenbach in eine Zone, in der ein anderes Zeitmaß gilt als draußen. Überzeugend schafft er eine Atmosphäre der Langsamkeit und generiert einen Ort der einlädt, auszuharren und nachzudenken.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Marcel Odenbach - Beweis zu nichts
05.02 - 30.04.2017

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


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