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Bemerkungen zu einigen Ausstellungen in Wien

MAK – Handwerk. Tradiertes Können in der digitalen Welt Kriterien für gute Qualität: „Nach hergebrachten Standards arbeitsaufwendig gefertigt und daher solide und funktionstüchtig; aus ihrer Funktion heraus materialgerecht und schön; aus klassischen Materialien (Metall, Glas, Holz u.ä.) hergestellt, langlebig und reparierbar und daher umweltverträglich“. Wer würde nicht zustimmen, dass man derlei Maßstäbe anzulegen hätte, wären die guten Dinge zu bewerten. „Manufactum“, das mit „c“ geschriebene Geschäft für alle, die gern mit dem Porsche Cayenne zum Bioladen fahren, hat sie sich deshalb auf die Fahnen geschrieben, und der Erfolg gibt dem Unternehmen recht. Etwas anderes als der Eskapismus des gehobenen Einzelstücks fällt allerdings auch dem MAK nicht ein, wenn es über ein Handwerk nachdenkt, das der digitalen Welt entsprechen soll. Längst ist es schwierig geworden, kategoriell zwischen Arts & Crafts zu unterscheiden. Hier indes lässt sich ein Unterschied greifen. Während das Handwerk auf das elitäre Unikat setzt, übt sich die Kunst in Interventionismus und versucht die Gesellschaft im Ganzen aufzugreifen. Die Verfahren haben sich nicht weniger als umgekehrt. Jüdisches Museum – Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerinnen bis 1938 Das Plakatsujet zur Schau liefert ein Selbstporträt von Bettina Ehrlich-Bauer, die nicht nur Künstlerin war, sondern auch die Nichte der goldenen Adele. Damit lässt sich renommieren, doch der Clou besteht darin, dass von diesem Bildnis nur eine Schwarz-Weiß-Fotografie erhalten ist. Sie mittels Blow Up und Kolorierung zur PR-Arbeit für die Ausstellung heranzuziehen, ist kein Etikettenschwindel, sondern eine kluge, eine ganz hervorragende Volte, mit dem Thema umzugehen. Die Nazis waren die größten Spurenvernichter der Weltgeschichte. Das Jüdische Museum betreibt demgegenüber Spurensicherung. Das darf man dann schon deutlich herausarbeiten. Wien Museum – Sex in Wien. Lust. Kontrolle, Ungehorsam Sehr eng geht es zu in den Korridoren der Abteilung für die Wechselausstellung. Man hätte sich denken können, dass die Kombination von Oberstübchen und Unterleib die Leute ins Museum treibt. Die Schau jedenfalls arbeitet allzu performativ, wenn das Thema Körper in permanentem Körperkontakt ausagiert wird. Und doch habe ich etwas gelernt. Hieronymus Löschenkohl, Illustrator und Chronist des Wien im späten 18. Jahrhundert, ist mit einem Blatt vertreten, das den sogenannten „Schnepfen-Strich“ am Graben zeigt, der Hauptachse für die hauptstädtische Prostitution. Weil die Abbildung auch die Pestsäule enthält, ist sie als Frontispiz für das Mozart-Kapitel meines Buches über „Die Stadt“ verwendet worden. Dass sich im Vordergrund ganz andere, wenig vedutenhafte Vorgänge abspielen, weiß ich erst jetzt und bitte um Vergebung für das ein wenig subalterne Sujet in meiner Publikation. MAK – 100 beste Plakate 15 Das beste der 100: Ohne Worte. Hannah Häußer, Deutschland, 2015, Auftraggeber: Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Mehr Texte von Rainer Metzger

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