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Kerze

Eine Kerze zeigt ihre Flamme vor, aufrecht, gerade erst angefacht, singulär und souverän. Man kann sie mit Feierlichkeit in Verbindung bringen und genauso mit dem Wunsch nach Lapidarität. Sehr aktuell gemahnt sie, dass man ein Leben führt als Candle in the Wind. Und ein Bravourstück ist sie auch, denn sie ist gemalt, in den Close Up genommen von Gerhard Richter. 1982 hat er das Gemälde gefertigt, es ist ein Signaturbild geworden, wie so vieles aus seinem Oeuvre. Gerhard Richter, Kerze, 1982) Foto: Museum Kurz davor, 1980, war ein Buch erschienen, das dem Hantieren mit dem banalen Gegenstand Subversivität zuerkannte. Dieses Hantieren durfte gerne Konsumieren sein, meinte Michel de Certeau in seinem „Arts de faire“, 1988 als „Kunst des Handelns“ dann auch auf deutsch einschlägig geworden. Konsumenten, verfügte der Autor, sind „verkannte Produzenten, Dichter ihrer eigenen Angelegenheiten, stillschweigende Erfinder eigener Wege durch den Dschungel der funktionalistischen Rationalität.“ Dass hier auch noch ein sehr zeitkonformes „Alles ist Politik“ durchschlägt, muss nicht weiter verwundern. Alles ist auch Ästhetik, denn in jeder Aktivität steckt ihre spezielle Besonderheit. Man muss sie nur entwickeln: „Die gegenwärtige Form der Marginalität ist nicht mehr die von kleinen Gruppen, sondern eine massive, massenhafte Marginalität“. Der Mainstream der massenhaften Marginalität artikuliert sich heute ungenierter denn je. Und die Subversion, in der er sich breit macht, ist womöglich nicht jene, die Michel de Certeau im Auge hatte. Obwohl, er war Jesuit. Und immerhin steht auch folgendes in seinem Buch: „Der Platz, den die Kirche … gegenüber den etablierten Mächten eingenommen hatte, ist seit zwei Jahrhunderten in der Tätigkeit einer sogenannten Linksopposition erkennbar geblieben“. Tatsächlich sieht es so aus, als könnte die Demokratie, wenn ihr schon so vieles andere wegbricht, sich wenigstens auf die Kirche verlassen. So führt der Weg von der Banalität zur Sakralität zur Säkularität eines himmelschreienden Status Quo. Richters Kerze mag all das in sich begreifen. Sie steht im Mittelpunkt einer sehr schönen Zusammenschau im Baden-Badener Museum von Frieder Burda. Der Sammler befindet sich im Besitz von Richters Bild, sein Kurator Helmut Friedel hat darum Exemplarisches gerankt, in dem sich die Gegenwartskunst ihren Reim auf Flamme, Docht und Wachsobjekt macht. Die Ausstellung, als liege darin Trost, hat über die Feiertage geöffnet. Ein wie auch immer frohes Weihnachten.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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