Werbung
,

Bücher 2016

Advent ist da und somit schneller als man denkt Weihnachten. Geschenke? Klar, Bücher, und zwar die folgenden, gegliedert einmal mehr nach Ressorts. Belletristik: Eugen Ruge, Follower, Rowohlt 2055 macht sich der Held der Geschichte auf, in China das Geschäft des Jahres zu erledigen. Im Fernen Osten herrscht der größte Wohlstand überhaupt, alles ist gleichgeschaltet auf Kapitalismus und nichts entgeht den Glücksverheissern, die ein wenig daher kommen wie in Huxleys „Brave New World“. Eugen Ruges neuer Roman ist eine Dystopie, die Negativform von Utopie in Perfektion, doch man mag ihm nichts anderes als recht geben. Immerhin erzählt Ruge, angereichert mit kleinen Hommagen an seinen Mega-Erfolg „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ von einer Welt, die im Hedonismus lebt. Ruge hat die Welt vom letzten Jahr in die Zukunft verlängert. Wer weiß, wie sich sein Plot ausnähme, hätte er die Welt von diesem Jahr verlängert. Politik: Robert Beachy, Das andere Berlin. Die Erfindung der Homosexualität. Eine deutsche Geschichte 1867 - 1933, Siedler Im Grunde ist das eine Kulturgeschichte. Robert Beachy, Historiker nirgendwo anders als in Seoul, rekonstruiert, wie Berlin zum Sehnsuchtsort der internationalen Schwulenbewegung wurde. Man kennt die Stories zum Beispiel von Christopher Isherwood, speziell auch dessen Version vom Ende dieser Traumwelt der Libertinage, „Good-Bye to Berlin“, der Vorlage für Musical und Film „Cabaret“. Schon in der Kaiserzeit, forciert durch eine kluge Politik der Berliner Polizei, die den ominösen Paragraphen 175 exerzierte, indem sie diejenigen, die delinquent zu werden drohten, in überschauten Arealen sich ausleben ließ, gab es hier so etwas wie eine Szene. Zu den Goldenen Zwanzigern trug sie ihr Gehöriges bei. Wie gesagt, eine Kulturgeschichte. Doch in der Welt von diesem Jahr ist sie nicht weniger als eine Klarstellung. Und damit in hohem Maße Beitrag zur Politik. Kulturgeschichte: Manfred Clauss, Ein neuer Gott für die alte Welt. Die Geschichte des frühen Christentums, Rowohlt Jetzt, wo die Fanatiker überhand nehmen, erinnert Manfred Clauss an die Prototypen des Prinzips. Es sind, wer sonst, die Christen. Immer schon haben sie dick aufgetragen, Martyrologien verfasst und Verfolgungen insinuiert, wo sie doch meist nichts anderes bewerkstelligten als heute die Dschihadisten. Sie waren Selbstmordattentäter, auch wenn sie als Opfer immerhin meist sich allein im Auge hatten. Dass man dadurch ins Paradies käme, war ihnen jedenfalls nicht weniger präsent. Clauss, Emeritus für Alte Geschichte, mag die frühen Christen nicht recht. Nach der Lektüre seines jüngsten Buches kann man es ihm schwer verdenken. Theorie: Didier Eribon, Rückkehr nach Reims, Suhrkamp Eine Auto-Biografie als Theorie. Eribon, Intellektueller wie er im Buche steht, erinnert sich und ermahnt alle, was Herkunft ist. Arbeiterkind mit durch und durch sozialistischer Sozialisation folgt er dem Lockruf des Körpers, erkennt sich als schwul und verlässt schlechterdings die Heimat, um Karriere zu machen als Dissident und Diskursproduzent. Als er zurückkehrt nach Muizon, Vorstadt von Reims, ist der Vater tot, die Familie wählt Front National und Eribon erkennt, dass etwas ausgeblendet geblieben ist in der Meistererzählung von der Emanzipation. Eribon wird die elitäre Schnöseligkeit, die momentan umschlägt in Selbstbezichtigung, in seiner Darstellung seinerseits nicht recht los. Doch um zu verstehen, wie die Intelligenz nicht absichtlich wie in den Zwanzigern aber jedenfalls unabsichtlich dem rechten Mob in die Spur half, ist das Buch nachgerade notwendig. Ausstellungskatalog: Gertraud und Dieter Bogner (Hg.), Kunstraum Schloss Buchberg am Kamp, Verlag für Moderne Kunst Das Ehepaar Bogner, mit seiner Sammlung, dem Ort von dessen Präsentation und den Prinzipien, mit diesen Beständen Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, immer noch Modell in Österreich, hat sich eine kleine Anthologie geleistet. Aufgelistet sind exemplarische Werke zwischen Schrägem wie Kolibal, international gut Abgehangenem wie Dan Graham oder national gut Vermittelbarem wie Weibel, die, gern in situ, für ein Konzept stehen. Zur Kompilation gesellt sich eine DVD mit knapp halbstündiger Doku von Joerg Burger über den Kunstraum. Das Ganze in seinem Schuber, seiner Aufklappbarkeit und Distinguiertheit hart an der Grenze zum Prätentiösen. Ein Stück Purismus, fernab von der Welt. Zum Durchschnaufen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: