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Wir sind, was andere von uns kaufen

Luxusmarken als neue Italianitá


Modeschau der Firma Fendi, Trevi-Brunnen, 2016

Sie glänzen in Gold und Rosa, tragen taillierte Kleider mit Stickereien oder beinfreie Mäntel. Die Pelze sind perforiert und mit handgemalten Motiven versehen, nach den Designerideen des dänischen Illustrators Kay Nielsen. Er ließ sich von Kinderbüchern und fabulierenden Erzählungen inspirieren, von Prinzessinnen und Blumenwiesen. Auffällig sind die zu Bündeln gefassten Haare der Models. Schlaufen und Strähnen hängen in dichtem Bausch den Nacken herab. Dunkle mediterrane Schönheiten. Der Deutsch-Italiener Anselm Feuerbach hätte diese stolzen Mädchen geliebt, die die Modefirma Fendi zu Ehren ihres 90-jährigen Jubiläums über den Laufsteg stolzieren lässt. Ihre antikisierenden Profile mit Sicherheit, vielleicht weniger die naive Deko und den selbstbewussten Schritt. Der schwermütige Feuerbach bevorzugte eine Stimmung des Abschieds in düsteren Pastelltönen. Er verehrte eine verinnerlichte Italianitá und Frauen in Einsamkeit. Doch das ist lange her. Heute geht es um Breite und Quote. Als Setting für seine Werbegala dient dem Modekonzern der Trevi-Brunnen, beste barocke Bühne und grauer Fond für die bunten Stickmuster. Damit die Damen weder baden noch sich vor den Blitzlichtern räkeln müssen, wie einst Anita Ekberg, wird eine durchsichtige Plexiplattform auf dem Wasser montiert. Hingerissen notiert die FAZ, die Models schwebten “Christo und Christus gleich”. Die Bühne ist tatsächlich ohne Vergleich, vor allem weil sie im kollektiven Tourismus- und Filmgedächtnis wie ein erotisches Signal hämmert. Hinten oben thront Oceanus, bulliges Mannsbild und trainierter Antipode, der als barocker Langbart und göttlicher Kraftlackel nur seinen eigenen Auftritt in Stein im Sinn hat. Dem manierierten Gestakse tut das fast unwiderstehlich gut. Dass Unternehmen prominente Plätze zur Schaustellung suchen, ist nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist, dass die Schau sogar vom italienischen Rechnungshof kritisiert wird. Der “Corte dei Conti” untersuchte die öffentlich-privaten Partnerschaften des Landes. Er zeigte sich “bestürzt”. Vor allem die von der Schuhfabrik Todt’s finanzierten Restaurierungsarbeiten des Kolosseums beruhen nach Auffassung der Controller auf unklaren Vereinbarungen. Die Stadt Rom, der Eigentümer des wohl berühmtesten Bauwerks der Antike, und die staatliche Denkmalverwaltung, hätten nicht geklärt, ob die Nutzungsrechte mit Ende der Instandhaltungsarbeiten auslaufen. Und es bleibe auch zu fragen, wer eigentlich die “Amici del Colosseo” sind, die vom Eigentümer der Firma, Diego della Valle, geführt werden, und denen die Rechte für fünfzehn Jahre übertragen wurden. Fendi und Todt’s sind keine Einzelfälle. Die notorisch klammen italienischen Kommunen suchen Aushilfe bei privaten Geldgebern. Mehrheitlich Luxusherstellern. Der Juwelier Bulgari renoviert die famose spanische Treppe, OTB, ein Konzern, zu dem das Modelabel Diesel gehört, kümmert sich um die Rialtobrücke. Im Juli 2016 werden ganze Teile der Stadt Neapels abgesperrt, weil Dolce & Gabbana einen Abend geben. Der Preis dafür, angebliche 100.000 €. Sogar Matteo Renzi, für viele der einzige Hort der Linken in Europa, ließ, damals noch als Bürgermeister von Florenz, den Ponte Vecchio für ein Abendessen von Ferrari abriegeln. Der Rechnungshofbericht zeigt die Verhandlungsposition der öffentlichen Hand. Die Verantwortlichen sind den unlauteren Angeboten mangels Alternativen ausgeliefert. Mehr generalisierende Kritiker heben ein falsch verstandenes Mäzenatentum hervor, bei dem sich privates Kapital der Kulturschätze bemächtigt, und sich zur exklusiven Bühne erhebt, was eigentlich allen gehört. Jedes Bauwerk wird zum Schaufenster, jedes kulturelle Erbe zum Branding, meinen sie. Doch spezifisch italienisch und interessant ist, dass mit den Edelproduzenten das Land Italien selbst zur Marke aufsteigt. Es sind die Firmen, die längst als nationale Ikonen firmieren. Durch Ästhetisierung der Antiken schaffen sie neue gesellschaftliche Umwegrentabilitäten. Das bleibt der Politik nicht verborgen. Werte werden zur wechselseitigen Steigerung getauscht. Die Banner der Produzenten imprägnieren nicht nur überlieferte Bedeutung, sie schaffen über den Umweg von elitärem Design auch Aspekte breitenfähiger Identität. Die meisten Wähler/innen können diese Produkte nicht kaufen, fühlen sich aber durch sie gestärkt, weil nationale Identitäten gefestigt werden. Es kommt zu einer paradoxen Verdrehung. Die elitäre Marke sichert massentaugliche Gemeinschaftsbildung. Früher hieß es: Wir sind, was andere von uns denken. Heute, was andere von uns kaufen. Besonders, wenn es die Mächtigen dieser Welt sind. Damit entsteht - zumindest für Italien - eine seltsame gesellschaftliche Dialektik, die selbst Adorno nicht ersinnen konnte.

Mehr Texte von Thomas D. Trummer

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