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Julian Röder - Recht und Raum: Zum Gedenken der Gedankenfotografie

Das Berliner Haus am Waldsee zeigt eine umfassende Werkschau des Fotografen Julian Röder. Die Ausstellung überzeugt auch dank der neuen Werkreihe „Licht und Angst“, die der Faszination mystischen Gedankengutes nachspürt. Längst hat sich Julian Röder als Fotograf, der politische-Momente nicht nur dokumentiert, sondern vor allem ihre prekären Qualitäten auf den visuellen Punkt bringt, einen Namen gemacht. In diesem Sinne hat er z. B. in „World of Warfare“, 2011, eine Waffenmesse auf Dubai, In „Mission and Task“, 2012/2013 die geheime Infrastruktur der Grenzüberwachung Europas und in „The Summits“, 2001 – 2008, u.a. den G8 Gipfel 2001 in Genua mit seinen Fotos ästhetisch analysiert. Jüngst waren solche Fotos in einer Werbekampagne für die Deutsche Oper Berlin auf Litfaßsäulen in der deutschen Hauptstadt zu sehen, jetzt hängen die engagierten Arbeiten sauber gerahmt und einer konzentrierten Rezeption zugänglich im Haus am Waldsee in seiner Einzelausstellung „Recht und Raum“. Das Überraschende an dieser Ausstellung aber ist seine neue Werkreihe „Licht und Angst“, 2016. Hier thematisiert Röder irrationales, ja esoterisches Gedankengut und die Konjunktur, die das Ausleben solcher Ideologien heute hat. Also ist der Künstler nach Sibirien gereist und hat das Sommersonnenwendefestival besucht, das dort im Kontext slawischer Ahnenkulturen alljährlich gefeiert wird. Die Fotos, die er während des Festes gemacht hat, zeigen z. B. junge, blumenbekränzte Frauen in folkloristischen Trachten, eine Gruppe der „Jünger“ dieser uralten Traditionen tanzend um ein nächtliches Lagefeuer und eine Frau im weißen Gewand mit erhobenen, der aufgehenden Sonne entgegengestreckten Armen. In einem anderen Teil dieser Werkreihe beschäftigt sich Röder mit dem sogenannten „Chembuster“, einem aus mehrenden Kupferrohren zusammengesetzten Gerät, das u.a. dazu dienen soll die Atmosphäre zu reinigen, etwa von Giften, die Flugzeuge angeblich absichtlich in diese einleiten. Röder baute, scheinbar an diese Verschwörungstheorien glaubend, einen solchen Chembuster und collagierte diesen zudem in Landschaftsfotos ein, etwa in eines von den Externsteinen im Teutoburger Wald. Diese Steine dienten den Nazis als urzeitliche germanische Kultstätte. Dadurch dass Röder diese mit dem Chembuster kombiniert, wird die eine Mystik mit der Irrationalität der anderen aufgeladen, gleichsam verdoppelt, so dass die zunächst vermeintlich affirmative Haltung Röders in eine kritisch-entlarvende umschlägt. Diese künstlerische Strategie findet sich auch in dem Teil von „Licht und Angst“, in der Röder dem Phänomen der „Gedankenfotografie“ nachgeht, also der Idee vom Ende des 19. Jahrhunderts, die Denkvorgänge im Gehirn ließen sich mit Hilfe von lichtempfindlichen Platten, die mit einem Band vor der Stirn angebracht werden, fotografieren. Solch einen „Radiographen“ baute Röder nach und band sich ihn um. Dann las er Schriften antisemitischen, völkischen und faschistischen Inhalts, z. B. Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ und machte dabei gedankenfotografische Aufnahmen von sich selbst. In der Ausstellung dann sind diese farbig-abstrakten „Gedankenbilder“ ebenso zu sehen wie Fotos, die Röder zeigen wie er mit aufgesetztem Radiographen jeweils eines dieser Bücher liest. Spätestens bei diesen Bildern wird deutlich, warum sich Röder für das Phänomen des Mystischen interessiert: In einer Zeit wo der rechte Populismus wieder zu einer kaum erwarteten Popularität gekommen ist, wird die ernsthafte Auseinandersetzung mit Ideologien, die kaum auf wissenschaftlich fundiertem Wissen und intelligenter Vernunft, dafür aber umso mehr auf irrationalem Glauben bauen, von entscheidender Bedeutung.
Mehr Texte von Raimar Stange

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Julian Röder - Recht und Raum
18.11.2016 - 12.02.2017

Haus am Waldsee
14163 Berlin, Argentinische Allee 30
Tel: +49 30 801 89 35, Fax: +49 30 802 20 28
Email: info@hausamwaldsee.de
http://www.hausamwaldsee.de
Öffnungszeiten: Di - So 11-18 h


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