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Nina Beier: Libidinöse Satelliten-Bahnen auf Crashkurs

Die 41-Jährige Dänin Nina Beier gilt als eine der aufregendsten, konzeptuell arbeitenden Künstlerinnen der Gegenwart. Nach Soloshows in Berlin, Oslo und New York sind ihre neuen Arbeiten derzeit in der Galerie Croy Nielsen zu sehen. Die Galerie ist gerade von Berlin nach Wien übersiedelt und feiert mit der Künstlerin ihre Inaugurationsausstellung. Die künstlerische Praxis von Nina Beier verhandelt ästhetische und ökonomisch-politische Aspekte der Darstellung, Repräsentation und des kulturellen Austausches von Images und Information. Ihre Werke beinhalten Botschaften des Konflikts und der Korrelation, die der Re-Definition eines Gegenstandes und seines mitschwingenden Images im veränderten Kontext beiwohnen. Die wechselvollen Verbindungen zwischen Objekten werden verfolgt, die in einem historischen Prozess ihre ursprüngliche Bedeutung und Werte verlieren, ihre Referenten und auch Funktion möglicherweise ändern, zu Ikonen oder Fetischen eines bestimmten Livestiles werden oder melancholischen Verlustanzeigen gleichen. Davor war Beier der duchampschen Frage nachgehend von diversen Alltagsgegenständen fasziniert wie z.B. persischen Teppichen, Krawatten von Hermès, chinesischen Echthaar-Perücken und Porzellan oder künstlichen Palmen. In einem strategischen Verfahren des Reframings wurden diese Objekte, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, aufs Neue subversiv bis fulminant rekonfiguriert und recycelt. Beiers Rhetorik brachte sie in die Nachfolge der „Picture Generation“-Kunst. Die aktuelle Ausstellung von Nina Beier schreibt sich wie schon öfters mit fühlbarem Kalkül und Sinn für Mobilität in das Galerieambiente ein: diesmal in die prunkvollen Räume des ehemaligen großbürgerlichen Palais Dumba am Parkring. Im Zentrum der installativ angeordneten, skulptural anmutenden Einzelobjekte, die mehrere Räume lose okkupieren, stehen zwei dunkelbraune Massagestühle, die in Betrieb sind und aus deren Sitzflächen wertvolle Metalle wie Kupferdrähte von elektronischem Abfall sowie ein Haufen von Kleinmünzen diverser Währungen als Relikte des menschlichen Handelns hervorquellen bzw. zur Erschöpfung relaxt werden. Ausgefallene Anpassung an die Libido scheint aber andere Sachverhalte zu verdrängen. Was sich der Sichtbarkeit oder dem Wissen der Betrachter hier entzieht, bringt die Künstlerin in ihrem die Ausstellung begleitendem Glossar zur Sprache. Und so lesen wir darin, dass die Verschwendung der elektrischen und elektronischen Ressourcen permanent wächst und das Recycling auf die weniger entwickelten Teile der Welt abgewälzt wird. Dort bringen die ausgedienten High-Tech Geräte der einheimischen Bevölkerung angeblich satte Gewinne. Wie Satelliten im Bann telepathischer Mächte kreisen etliche elegante, aus gebogenem, dunklem Holz gefertigte Thonet-Sessel um die monströs wirkenden Massagemaschinen. Die Ikonen der Designgeschichte aus dem Beginn des Industriezeitalters ruhen aber nicht auf dem Boden und dienen nicht zum Entspannen. Aufgrund der eklatanten Kraft des Zusammenstoßes mit einer gefährdeten Art der Kokosnuss (genannt Coco Fesse, auch Liebesnuss, weil ihre Gestalt einem archetypischen weiblichem Körperteil verblüffend ähnelt) befinden sich die Stühle zwischen Sturz und freiem Fall oder bleiben direkt an den Galeriewänden hängen, wie nach einem Gewaltausbruch oder Nahkampf. In diesem unheimlich-geisterhaften Szenario gewinnt die Libido wieder einmal an Kraft: Im Widerspiel eines scheinbar von Auswärts kommenden, unkontrollierten, weiblich-animalischen Prinzips.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Nina Beier
29.10 - 17.12.2016

Croy Nielsen
1010 Wien, Parkring 4
Email: info@croynielsen.com
http://www.croynielsen.com
Öffnungszeiten: Mi-Sa 12-18 h


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