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Hockney

1962, im Schlüsseljahr des Pop, taucht ein ganz spezieller Protagonist in der Szene auf. David Hockney ist, wie es sich gehört, 25, als er in diesem Jahr sein „Tea Painting in an Illusionistic Style“ fertigstellt: das auf knapp zwei Meter Größe aufgeblasene Porträt einer Teepackung, illusionistisch dahingehend, dass das Bildformat der Kontur des Behältnisses folgt und damit aus dem Karree ausbricht und in die Diagonale schwenkt. „Ty Phoo“ ist groß zu lesen, der Name des Importeurs. Wenn Hockney im Tempo des Farbauftrags und der schemenhaften Gestalt, die sich auf der Oberfläche geltend macht, sowohl den Traditionen der Abstraktion wie auch der Figuration verpflichtet bleibt, so steht diese Darbietung doch ganz im Zeichen der Zeit. Es ist das Logo, das Interesse für die Produktgestaltung, das Hockney hervorkehrt, es ist das Branding. Alle Scheu vor einer Geste, die man als Schleichwerbung diffamieren könnte, ist verschwunden, denn in der Gegenwart der Massenherstellung erkennt man die Dinge des Alltags an ihrem Produktnamen. „Es ist ein sehr gewöhnliches Design, eine sehr gewöhnliche Packung“, gibt Hockney auf die Frage zu Protokoll, warum es ausgerechnet Ty Phoo–Tee ist, was hier per Malerei monumentalisiert wird. Es ist das Allerweltsding, und es ist vor allem seine Allerweltsgestaltung: Hockney sagt nichts über die Qualität des Getränks und alles über jene des Designs. Wichtig ist seine Gewöhnlichkeit, seine Eigenschaft als „common“. In der Banalität erweist sich die Zuständigkeit für die Gegenwart, darin gerade liegt ihre Qualität. Nun war Hockney Stargast zur Eröffnung der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Er saß auf dem Podium der Einstiegs-Pressekonferenz und er erzählte von seiner Arbeit. Die macht er gerade mithilfe seines iPads. Der Meister konnte kaum an sich halten vor Begeisterung über die künstlerischen Möglichkeiten des Geräts. In den 70ern hatte er Polaroids als Ausgangsmaterial genommen, um mit ihnen, die sie alle Ausschnitte von Porträts zeigten, ein großformatiges Porträt auf die Leinwand zu bringen: Mise-en-abyme, das Große im Kleinen, ein schillerndes Prinzip Bild-im-Bild. Es war wohl die letzte von Hockneys Strategien, es zu einem zentralen Künstler des Jahrhunderts zu bringen. Heute ist die die Technik-Emphase vielleicht doch etwas schlicht. Schlicht und um so deutlicher wirksam. „A Bigger Splash“ heißt seine berühmteste Arbeit. Vor den britischen Gesetzen gegen Homosexualität hatte sich Hockney 1964 nach Kalifornien abgesetzt, dorthin, wo das Klima warm, der Pool bereit und das Dasein locker ist. In perfekter Einheit von Kunst und Leben richtete sich Hockneys Kunst im Camp ein, es wurde dekorativ und auch, lässt man die Theorie gelten, subversiv. Seither umgibt man Hockney mit dem Präfix „A Bigger“. „A Bigger Picture“ hieß eine Ausstellung im Kölner Museum Ludwig. „A Bigger Book“ heißt die Publikation, die den Anlass zu Hockneys Auftritt auf der Buchmesse bot. Der Taschen-Verlag, der nicht weniger auf dem Gewissen hat als den Markt für Kunstbücher, hat diese Publikation zu verantworten. Was da passierte am letzten Dienstag war einer jener typischen performativen Widersprüche des Kapitalismus. Man will Kunstbücher promoten, indem man den einen Multi promotet: Früher hieß das Konzentrationstheorie. David Hockney mit dem "Bigger Book" Foto: Taschen Dem Pop-Artisten wird es ins Programm passen. Seit langem residiert er wieder in Britannien. In der Nähe von Bradford, seiner Heimatstadt, gibt es eine mustergültige Musterstadt aus dem Geist eines Manchester-Liberalismus mit philanthropisch angehauchtem schlechten Gewissen. Saltaire heißt die Anlage, benannt nach dem Gründer, dem Textilfabrikanten Titus Salt, der seine Arbeiter um die Fabrik herum gruppierte, ihnen Häuser, Schule, Kirche gab, aber einen Pub vorenthielt. Hier hält jetzt Hockney Hof, in der zentralen „Salts Mill“ gibt es zwei Stockwerke allein für ihn. Im oberen der beiden hat 2013 „The Arrival of Spring“ Einzug gehalten, „49 original works“, wie es auf der Website heißt, „drawn by David on his iPad“. Das sehr gewöhnliche Ding, die sehr gewöhnliche Packung lässt sich nach wie vor trefflich promoten.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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