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romANTIsch? Unsere technisierte Gesellschaft braucht Romantik!: Ist Flucht möglich?

Die Zeiten sind schlecht – zumindest ist dies ein Gefühl, das offenbar viele Menschen Mitteleuropas angesichts unsicherer politischer wie wirtschaftlicher Entwicklungen beschleicht. In der Politik gewinnen populistische Parteien, die scheinbar einfache Lösungen anbieten, immer mehr Anhänger. Der Kunst wird unter solchen Bedingungen die Rolle der Mahnerin, der Aufdeckerin, ja sogar der Entwicklerin neuer gesellschaftlicher Strategien zugeschrieben. Sie soll reparieren, was unverantwortliche Politik und Turbokapitalismus der Welt und den Menschen angetan haben. Eine alternative Strategie schlagen die Kuratorinnen Stella Bach und Claudia-Maria Luenig in ihrer Ausstellung „romANTIsch“ in der Dependance des Künstlerhauses im fünften Wiener Gemeindebezirk vor. Das offen strukturierte Büroloft – selbst Sehnsuchtsort gehobener Wohnideen und Projektionsraum der Fantasien von Immobilienentwicklern – wird als Gegenposition zur herrschenden Egomanie zu einem Ort der Rückbesinnung auf die Ideale der Romantik und der kulturellen Werte Mitteleuropas. Als Zukunftsentwurf zeigt sie eine Welt auf, in der sinnliche Erfahrung mehr zählt als Nutzen und Wirtschaftlichkeit. Zu Beginn der Ausstellung steht Gert Linkes „Klavier“ und stimmt ein auf romantische Gefühle wie sie vor allem die Musik transportieren kann. Gleich danach tanzen und umarmen sich Sybille Gieselmanns Hemden auf Leinwand und verweisen auf die vielfältigen Ebenen von Beziehungen die wir im Laufe eines Lebens eingehen könnten, vielleicht aber nicht tun, weil uns Selbstoptimierung und Erfolgsdruck daran hindern. Auch Stella Bach thematisiert die Vereinzelung des Individuums im globalisierten Wirtschaftssystem, lässt jedoch Raum für die Weiterentwicklung hin zu einem selbstbestimmten Leben. Die romantische Sehnsucht nach einer engen Verbindung mit der Natur ruft Matthias Lautner wach, doch in seinen Bildern paart sich dies mit Ängsten vor Einsamkeit und Umweltzerstörung. Rauschhaft ergießen sich die Blumenmeere von Karin Pliem über die Leinwand und es lässt sich gut eintauchen in diese Fülle an Blüten und Blättern, schwelgen in den prachtvollen Farben, die jedoch auch ihre Vergänglichkeit sichtbar werden lassen. Die bunten Farben verblassen, das Grün vertrocknet und es bleibt nur die Hoffnung, dass sie in einem neuen Zyklus wieder auferstehen können. Ob eine neue Romantik einen Ausweg aus den aktuellen Krisen der Welt weisen kann, bleibt in der Ausstellung unbestimmt. Direkte Handlungsanweisungen zur Verbesserung der Gesellschaft können von der Kunst auch nicht geboten werden. Dass das Einschwören auf eine gesamtgesellschaftliche Utopie auch in die Irre führen kann, thematisiert am Ende der Ausstellung Nemanja Nikolic. Auf den Buchseiten von Publikationen zur sozialen und politischen Philosophie Ex-Jugoslawiens zeichnet der in Belgrad geborene Künstler Fluchtszenen aus Filmen von Alfred Hitchcock, die sich schließlich zu einer Animation verdichten. Ob die Flucht gelingt, bleibt in Nikolics Animationsfilm ebenso unbestimmt wie in der gesamten Ausstellung. Eine Möglichkeit, dem Druck des Alltags zu entfliehen und ein romantisches Paralleluniversum zu betreten, bietet die Ausstellung aber allemal.
Mehr Texte von Werner Rodlauer

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romANTIsch? Unsere technisierte Gesellschaft braucht Romantik!
14.10.2016 - 29.01.2017

Künstlerhaus 1050
1050 Wien, Siebenbrunnengasse 19-21, Block D / 4. Stock
Tel: +43 1 587 96 63, Fax: +43 1 587 96 63 99
Email: office@k-haus.at
http://www.k-haus.at


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