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Der Heilige Marx und das Jüngste Gericht

Fünf Jahre, nachdem Reed Expositions die Viennafair dankenswerterweise aus ihrer Obhut entlassen hat und im zweiten Jahr an neuem Ort in der Marx Halle und unter neuem Namen, präsentiert sich die viennacontemporary als weitgehend gefestigte Brücke zwischen Ost und West mit einhelliger Unterstützung der einheimischen Galerien. Bis auf Ropac sind alle dabei. Viele der österreichischen Galerien zeigen einen Mix aus etablierteren Positionen und Ungewöhnlicherem.

Bei Hilger gibt es auf der einen Seite des Standes Street Art und auf der anderen einzelne Wände mit Künstlern aus dem traditionellerem Programm. Die Wiener Galerie Christine König hat eine Hälfte ihres großen Standes dem Kollektiv ACTA überlassen, das die Wände vollflächig von Dan Perjovschi collagieren lässt (unverkäuflich), worauf Arbeiten unterschiedlichster Künstler unsere turbulenten Zeiten kommentieren (von Kugelschreiberzeichnungen von Ovidiu Anton 1.200 Euro brutto, bis zur großen Kohlezeichnung von Jimmy Durham zu 18.000 Euro).

Auch deutsche Galerien nutzen die Wiener Messe gerne als Plattform im Herbst. Hammelehle und Ahrends profitieren von der Attraktaviät der Stadt als Reiseziel. Die Kölner haben schon bei ihrer ersten Teilnahme im letzten Jahr festgestellt, dass ihre treuen deutschen Kunden ihnen gerne für ein Wochenende nach Wien hinterherreisen. Dazu kämen die neuen Kontakte, außerdem habe man neuerdings zwei Österreicher im Programm – alles gute Gründe, im Herbst noch einen Messetermin in einem deutschsprachigen Land wahrzunehmen. Mit Jens Wolf (7.500 - 12.000 Euronetto), Matthias Schaufler (9.500 - 26.000) und Stephan Jung (10.000 - 18.000) haben Sie allerdings ausschließlich Berliner Künstler dabei. Daniel Marzona, der seine Berliner Galerie vor zwei Jahren eröffnet hat, sucht vor allem Kontakt zu Wiener Sammlern. Kuratoren kenne er einige, aber ansonsten sei Wien Neuland für ihn, erklärt er. Er zeigt unter anderem Arbeiten des jungen Georgiers Vajiko Chachkhiani, (3.500 - 5.000 Euro), denen man das Studium bei Greogor Schneider zwar ansieht, die in ihrer trockenen Archaik aber dennoch eine sehr eigene Position behaupten. Den Mut zum Risiko befördert bei Marzona sicherlich das vergleichsweise günstige Preisniveau der Viennacontemporary. Ein ähnlich dimensionierter Stand auf der abc in Berlin etwa hätte deutlich mehr gekostet. Der ebenfalls aus Berlin stammende Volker Diehl inszeniert einen East Western Drawing Room. Das Spektrum reicht von einem neuen bunten Großformat des Berliners Martin Assig (20.000 netto) bis zu einer zart weißgehöhten Zeichnung des rumänischen Konzeptkünstlers Konstantin Flongor aus den 70er Jahren (18.000 Euro). Nicht nur bei ihm spielen Ost- und Südosteuropa eine Rolle, so dass der diesjährige Focus Ex-Jugoslawien und Albanien kaum auffällt.

Deutschland mit seinen 21 Teilnehmern herausgerechnet, sind mehr ost- als westeuropäische Galerien vertreten. Bei der angenehmen Größe von 112 Ausstellern ist die Viennacontempary insgesamt gut aufgestellt: Nur gut ein Drittel der Aussteller stammt aus Österreich, wobei Crone mit Hauptsitz Berlin Wien zugeschlagen wird, während die Wiener Filiale des Düsseldorfer Neuzugangs Beck & Eggeling offensichtlich nicht zählt. Aus Frankreich und Belgien lässt sich bisher jedoch keine der bekannten Galerien blicken. Der Blick Richtung Westen reicht nicht weit.

Die ungewaschene kleine Schwester Parallel in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Post hat eher Volksfestcharakter. Hier stellt alles aus, was sich die Teilnahme leisten kann oder meint leisten zu müssen. Zwar präsentieren auch die meisten der etablierten Wiener Galerien Einzelpositionen in den ehemaligen Amtszimmern, ansonsten herrscht jedoch ein vollkommen kriterienloses Durcheinander. Off-Räume, einige Institutionen und viel zu viele Selbstvermarkter buhlen um Aufmerksamkeit. Es herrscht eine Atmosphäre wie auf einem Akademierundgang kurz vor dem Jüngsten Gericht. In der Form ist so etwas wohl nur in Wien möglich, das sich seiner Peripherialität dann eben doch so bewusst ist, dass jede Gelegenheit zu einem kulturellen Großevent gerät. Die endlos scheinende Schlange am Einlass war dann aber weniger dem großen Andrang als der Organisation geschuldet.

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viennacontemporary
Marx Halle Karl-Farkas-Gasse 19, 1030 Wien
www.viennacontemporary.at
22. bis 25. September 2016

Parallel Vienna
Alte Post Dominikanerbastei 11, 1010 Wien
parallelvienna.com
21. bis 25. September 2016

Mehr Texte von Stefan Kobel

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