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Rückschritt – Fortschritt

Ist das eine Messe? Von der "Rückkehr zu den Ursprüngen" spricht abc-Direktorin Maike Cruse auf der Eröffnungspressekonferenz. Gemünzt ist der euphemistische Ausdruck offensichtlich auf die radikale Schrumpfkur der Berliner Messe, die früher nicht Messe genannt werden durfte. Jetzt, da sie auch offiziell so bezeichnet wird, hat die Schau allerdings viel mehr den Charakter einer Ausstellung - und auch ein wenig etwas von deren nichtkommerziellem Charakter. Nur noch 63 Galerien, einige davon mit Gemeinschaftsständen, zeigen jeweils Einzelpositionen. Die U-förmigen Wandelemente eröffnen und versperren Durchblicke auf unterschiedlichste Positionen in allen Preislagen. Die Stände sind modular aufgebaut: Man kann nur eine Wand, eine Bodenfläche, einen Raum oder eine Platzsituation mieten und beliebig kombinieren. Der Startpreis beträgt 6.000 Euro netto für ein Element (plus Beleuchtung). Zak I Branicka aus Berlin haben sich für eine Bodenpräsentation mit Teppichen (3.000 bis 5.000 Euro) von Joanna Rajkowska entschieden, deren filmische Arbeit von der (noch laufenden) Berlin-Biennale bekannt ist. Den großen Auftritt leisten sich vor allem die in Berlin verankerten Filialgalerien wie Sprüth Magers, die vier U-Außenwände wie ein sehr großes Durchgangszimmer mit Malerei in unterschiedlichen Formaten von Andreas Schulze bespielen (8.000 bis 22.000 Euro). Die Gebrüder Lehmann aus Dresden, die gerade ihren Berliner Standort aufgegeben haben, lassen sich den kompletten Innenraum eines Us mit Arbeiten von Eberhard Havekost bespielen. Auffällig ist der vergleichsweise hohe Anteil von Skulptur/Installation/Video, die auf herkömmlichen Messen wegen ihrer schlechten Marktgängigkeit immer seltener zu sehen sind. Wer auf der abc ausstellt, tut das allerdings wohl kaum noch wegen des unmittelbar erwarteten Umsatzes. Selbst Johann König dürfte es schwerfallen, einen Spontankäufer für Erwin Wurms angeschwollenen VW-Bully, der als Imbiss fungiert, zu finden, der in Berlin die geforderten 600.000 Euro ausgibt. Als Messeformat krankt abc in ihrer neunten Ausgabe noch immer an ihrer Kinderkrankheit Umsatzschwäche und mittlerweile an mangelnder internationaler Strahlkraft. Der Anteil ausländischer Teilnehmer ist praktisch zu vernachlässigen; immerhin ist eine Reihe von Kollegen aus Polen angereist. Die Satellitenmesse Positions, hervorgegangen aus der Preview, hat in ihrer dritten Ausgabe die Hauptmesse bei Teilnehmerzahl (74) und Internationalität der Aussteller überholt, und auch bei der Qualität sind Fortschritte zu erkennen. Wobei die wenigen älteren Positionen sicher zu den interessantesten zählen. So zeigt Thomas Fuchs aus Stuttgart Darstellungen aus dem schwulen Alltag New Yorks in den 1980er Jahren von Patrick Angus. Kleinformatige Malerei um 30.000 Euro könnte den durchschnittlichen Besucher der Positions allerdings (noch) überfordern. Wer über die typischen ästhetischen Zumutungen hinwegsehen kann, unter denen Satellitenmessen eigentlich immer leiden, wird sicher einige Entdeckungen machen. Und die Macher haben einen längerfristigen Horizont. Mitgründer Heinrich Carstens ist überzeugt, dass man in der gerade einmal dritten Ausgabe eine positive Entwicklung wahrnehmen könne. Auch die Rahmenbedingungen wären gut. Dass man im Kunstbetrieb nicht auf AnhIeb Millionär würde, sollte jedem klar sein, der sich darauf einlässt. Außerdem lieferten mit der Berlin Art Week das Land und die Institutionen eine nicht unwichtige Unterstützung: "Die Investitionen sind unser unternehmerisches Risiko. Es kommt darauf an, was wir daraus machen. Ich kann dieses ewige Gejammer nicht verstehen." www.artberlincontemporary.com Station Berlin positions.de Postbahnhof am Ostbahnhof Bis 18. September 2016
Mehr Texte von Stefan Kobel

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