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Biennale des Antiquaires: Breiter, tiefer, besser

Die Biennale des Antiquaires in Paris und das ausrichtende Syndicat National des Antiquaires haben stürmische Zeiten hinter sich. Nachdem sich über Jahre Präsidenten der altehrwürdigen Veranstaltung gegenseitig aus dem Amt geputscht haben und die Messe mal in die eine, mal in die andere Richtung driftete, schien mit der letzten Ausgabe ein Tiefpunkt erreicht. Gerade einmal 74 Händler von alter, außereuropäischer und antiker Kunst sowie Kunsthandwerk, fast alle aus Paris, wurden von 14 Juwelenhändlern mit zum Teil monumentalen Ständen beherrscht. Asiatische Luxusreisegruppen fielen ins Grand Palais ein, gingen schnurstracks zu den Klunkern und waren genau so schnell wieder draußen. So konnte es nicht weitergehen. Nach der Demission eines weiteren Präsidenten und einem unseligen Zwischenspiel von Reed Exhibitions als Organisator, scheint jetzt Ruhe eingekehrt zu sein. Mit Jean-Daniel Compain, früher bei Reed für die Kunstmessen (außer Viennafair) zuständig, hält jetzt ein professioneller Messemacher die Fäden in der Hand. Ihn reizt, dass die Biennale so anders ist als das, was er bisher zu verantworten hatte: "Als Verbandsmesse hat die Biennale andere Ziele als normale kommerzielle Messeveranstalter. Jeder Veranstalter versucht, das beste aus seinem Investment zu machen. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Es ist einfach eine andere Herangehensweise." Nach eigener Rechnung hatte Compain nur vier Monate Zeit, um seit der Trennung von Reed den Relaunch aufzugleisen. Mit 123 Ausstellern, darunter lediglich vier Juwelenhändlern und einem Ausländeranteil von fast 40 Prozent (Steueremigranten eingeschlosssen) ist die Biennale breiter und tiefer aufgestellt als zuletzt, auch wenn manches in der Organisation noch nicht ganz rund läuft. Die Stand-Architektur ist gegenüber früheren Ausgaben weniger verschnörkelt und von schlichter Eleganz mit leichtem Hang zur Monumentalität. Nach einer enttäuschenden Ersteilnahme vor vier Jahren ist die Galerie Mayoral aus Barcelona wieder mit dabei und inszeniert eine Hommage an den Pavillon der Spanischen Republik von 1937 mit Arbeiten der dort ausgestellten Künstler Miró, Picasso, Calder, González. Einige der Werke sind sogar aus der Zeit. Ein mittelgroßes, ausgesprochen attraktives Aquarell von Joan Miró aus dem Jahr 1934 kostet 350.000 Euro, ein kleines Mobile Alexanders Calders von 1975 500.000 Euro. Teuerstes Werk am Stand ist ein später Männerkopf von Pablo Picasso für 12 Millionen Euro. Lediglich ein Aussteller ist aus Deutschland angereist: der Porzellanspezialist Röbbig aus München. Inhaber Alfredo Reyes erklärt die Motive für seine Erstteilnahme: "Die neue Leitung und das neue Konzept haben mich überzeugt." Zudem verändere sich die Welt ständig, das gelte auch für sein Segment. Er plant in diesem Jahr drei Messeteilnahmen neben der Tefaf in Maastricht: Masterpiece London, Paris und Tefaf New York. Danach werde er entscheiden, welche Veranstaltungen für ihn die besten Chancen bieten. In Paris könnte er keine so schlechten Karten haben, da er mit Meissen ein absoluter Exot ist. Es dürfte nicht viele Orte geben, an denen sich Kennerschaft und Vermögen treffen, um Johann Joachim Kändlers experimentelle Figur "Fuchs und Henne" aus weißem Porzellan von 1732 mit einem Preis von 1,4 Millionen Euro in beiden Dimensionen würdigen zu können. Die Liste der Händler mit Sitz in der Schweiz nimmt sich mit Sieben hingegen recht üppig aus. Allerdings sind einige Galerien darunter, die zuvor in Paris beheimatet waren, wie Jacques de la Beraudiere oder Bailly. Sollte die Steuer- und Abgabensituation in der EU und in der Schweiz sich mittel- bis langfristig nicht annähern, dürften wohl noch mehr Kollegen diese Option ziehen. De Jonckheere aus Genf verstärkt die Gruppe der in Paris noch relativ stark vertretenen Altmeister-Spezialisten und hat unter dem Titel "Hieronymus Bosch. Le Premier Cercle" eine beeindruckende kleine Schau aus dem direkten Umfeld des Meisters der Fegefeuerdarstellungen zusammengetragen. Ein kleinformatiger Albtraum auf Holz, Jan Mandijn zugeschrieben, ist für unter eine Million Euro zu haben. Ein Skandal, der die Pariser Szene in den vergangenen Monaten erschütterte, hat die Reihen um zwei prominente Vertreter gelichtet. Die Galerien Didier Aaron und Kraemer sind in den millionenteuren Verkauf zweier gefälschter Stühle an Schloss Versailles verwickelt; ein Gerichtsprozess ist anhängig. Besonders pikant: Hervé Aaron war in der Vergangenheit einer der Strippenzieher im Verband und verantwortlich für die Biennale. Beide setzen bis zur Klärung der Affäre aus. SNA-Vizepräsident Bernard Dragesco übernimmt die undankbare Aufgabe, ein Statement dazu abzugeben: "Es ist extrem schwierig, jetzt etwas zu sagen. Ich hoffe nicht. Aber es ist offensichtlich nicht gut für den französischen Markt und den Markt im Ganzen. Natürlich muss die Unschuldsvermutung gelten, bis das Gegenteil bewiesen ist. Wir können nur versuchen, noch gewissenhafter zu jurieren." Immerhin: "Ich habe mit vielen Sammlern gesprochen, die mir versichert haben, dass ihre Leidenschaft ungebrochen ist." Wegen der beiden Abgänge sind Möbel des 18. Jahrunderts aktuell schwach vertreten. Benjamin Steinitz, einer der bekanntesten Vertreter seiner Zunft, weicht Fragen nach dem Skandal mehrfach geschickt aus. Er verweist lieber auf einen Stuhl von Louis Cresson, um 1730, den er schon verkauft habe, unmittelbar nachdem sich die Tore für die wichtigsten der VIP-Gäste am Donnerstagabend geöffnet hatten. Rund eine Halbe Million Euro hat das Möbel gekostet, ohne Polster und nur von Schmutz und Oxidation befreit. Authentischer kann man einen Scheunenfund kaum präsentieren. Während der Antikenhandel in Deutschland nach der neuen Rechtslage klinisch tot sein dürfte, scheint er in Frankreich noch zu gedeihen. Die Gebrüder Chenel aus Paris bietet etwa einen lebensgroßen Epheben aus Marmor (780.000 Euro), den sie im Italien des ersten nachchristlichen Jahrhunderts verorten. In den letzten zwei Jarhzehnten in Marokko beheimatet, sei die Statue schon in den 1950er Jahren im Pariser Handel nachgewiesen. Alles in Ordnung also. Herkunftsnachweise bis in die 80er seien problemlos, erklärt einer der Brüder. Ab den 90ern würde es schwieriger. Museen würden direkt abwinken. Leidenschaftliche Sammler hingegen, denen es nicht auf profitable Wiederverkäuflichkeit ankäme, würden auch solche Provenienzen akzeptieren.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Biennale des Antiquaires
10 - 18.09.2016

Grand Palais
75008 Paris, Avenue Winston Churchill
https://www.biennale-paris.com/
Öffnungszeiten: täglich 11-21 h


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