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Karl-Heinz Ströhle 1957 – 2016

Vollkommen überraschend und unerwartet verstarb Karl-Heinz Ströhle. Überraschend vor allem, weil er persönlich stets mit enormer Vitalität, geistiger Präsenz und Neugierde auftrat. Wie konnte man sich da das Ableben vorstellen. Der 1957 in Bregenz geborene Objekt- und Performancekünstler, Zeichner und Maler suchte stets die unmittelbare Auseinandersetzung. Seine Skulpturen aus körpergroßen, punktgeschweißten Federstahlbändern bringen Ströhles Streben nach einer Verbindung von künstlerischem Konzept mit direkter Involvierung und Kommunikation am ehesten zum Ausdruck. Für diese Objekte, spannungsvoll verarbeitet, versetzte er Stahl in Schwingungen und brachte somit ein gewöhnlich als massiv geltendes Material in einen weichen, vibrierenden Aggregatzustand. Zudem luden die manchmal wackeligen und oft kaum greifbar dynamischen Objekte gelegentlich dazu ein, sie zu benutzen, sich in ihr Inneres zu begeben, um mit Körper, Raum und Material zu experimentieren. Die meisten aber wirkten sie wie Skizzen, wie Andeutungen, hatten den Charakter beweglicher Linien im Raum. Ähnlich strukturierte Ströhle Federstahlbänder zu Wandobjekten, deren Linienführung wiederum impulsgebend war für die aus dem Körper heraus entwickelten Zeichnungen. Auch umgekehrt ließe sich die Entwicklung vom Zeichnerischen über das Material in den Raum und schließlich den Aufbau von Beziehungssystemen im sozialen Zusammenhang beschreiben. Denn Karl-Heinz Ströhles Malerei war in den 1990er Jahren zunächst durch minimalistische Reihungen schwarzer Linien gekennzeichnet. Den Rahmen weglassend brachte er solche konzeptuellen Werke direkt an der Wand an, wodurch sie Vorhänge imaginierten, die Malerei auch filmisch phasenhaft als Wechsel zwischen hell und dunkel determinierten. Die traditionelle, gerahmte Form verlassend setzte Karl-Heinz Ströhle Malerei schließlich mit dem zufälligen Publikum des öffentlichen Raums in Bezug. Seine spezifische Form der Abstraktion transformierte er zum Fresko und zur Wandmalerei im öffentlichen Raum. Von da her öffnet sich eine Verbindung zwischen dem körperlich Gestischen und der public art, die ebenfalls ein zentrales Thema von ihm war. Zahlreiche Werke in Wien, Innsbruck oder Bregenz setzte er um. Dass er solche, zumeist als dauerhaft konzipierten Interventionen als kritisch politisch in einem produktiv irritierenden, emanzipatorischen Sinn verstand, spitzte sich 2005 in einer heute noch bemerkenswerten temporären Arbeit gemeinsam mit dem 2010 verstorbenen Martin Strauß zu. Es war die temporäre Intervention „Schaufenster-Geschichte“ im Rahmen von Kunst im öffentlichen Raum Wien (heute KÖR) an der Fensterfront einer riesigen, aufgelassenen Zweigstelle der Bank Austria Ecke Westbahnstraße / Kaiserstraße. Mit ins Plakatformat vergrößerten Ausschnitten aus internationalen Tageszeitungen an den Schaufenstern erinnerten sie an die EU-Sanktionen gegen Österreich anlässlich der rechtlich und demokratiepolitisch fragwürdigen Bildung der schwarz-blauen Koalition im Jahr 2000. Mit dem Eintritt der Haider-FPÖ in die Regierung war der internationalen Gemeinschaft damals vor Augen geführt worden, dass Österreich es bis dato verabsäumt hatte, einen sozialen Konsens zu etablieren, der mit in Deutschland geltenden ethischen Standards vergleichbar wäre. Die enorme Bandbreite und zugleich konzeptuelle Strenge des Künstlers Karl-Heinz Ströhle manifestiert sich im Bogen zwischen Formalismus und konzeptueller Intervention. An der Universität für Angewandte Kunst Wien, wo er sich habilitierte, lehrte Ströhle im Bereich Kunst und kommunikative Praxis. Zuletzt wurde er mit dem Konstanzer Kunstpreis ausgezeichnet, den er persönlich nun nicht mehr entgegen nehmen kann.
Mehr Texte von Roland Schöny

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