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Ausstellungen in Frankfurt: Drei Kurzkritiken

Vorbemerkung: Bekannt wurde, dass Philipp Demandt, seit kurzem Leiter der Frankfurter Kunstmuseen Städel und Liebieghaus, mit 1. Oktober auch die Schirn übernimmt. Die Nachfolge Max Holleins, der das Triumvirat ein Jahrzehnt lang allein innehatte, ist damit komplett. Liebieghaus: Athen. Triumph der Bilder Der erstaunliche Take Off des Liebieghauses in die Spitze der Skulpturenmuseen und vor allem in eine Art wissenschaftlicher Leaderschaft, hat nun ins Athen von dessen großer, klassischer, im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung beheimateter Epoche geführt. Der Status des Hauses wird an den Leihgaben deutlich, die aus dem Louvre kommen, dem Vatikan oder dem British Museum. Die Hauptstadt der Antike passiert Revue anhand der zwölf Monate des Jahres, die sich um Feste, Rituale, Kulte rankten und um die Götter, die dabei an- und aufgerufen wurden. Zeremonielle und urbane Identität finden sich, und das wäre die Erkenntnis der Schau, aufs Engste verschränkt. Der Panathenäenzug, berühmt durch die Parthenon-Reliefs, in denen sich das Gemeinwesen selbst darstellte, die es selbst herstellte, und in denen es sich selbst gnadenlos bejubelte, liefert die Grundlage des Ausstellungskonzeptes. Für jeden der zwölf Abschnitte gibt es, natürlich nur im Abguss, einen Ausschnitt aus dem Zug, wie er in Gestalt der Elgin Marbles im British Museum zu bewundern ist. Die Hauptstadt der Antike, Goethe hat es 1816 auf den Punkt gebracht, ist ja London. Und ein wenig ist es Riace: Dort wurden Bronzestatuen aus dem Meer gefischt, und diese Krieger sind auch jetzt, natürlich nur im Abguss, Thema: Sie sollen die beiden Söhne der olympischen Rivalen Athena und Poseidon verkörpern, wie sie sich um Athen balgen. Der Mythos lebt. www.liebighaus.de Städel: Schaufenster des Himmels. Der Altenberger Altar und seine Bildausstattung Ausstellungsansicht "Schaufenster des Himmels. Der Altenberger Altar und seine Bildausstattung", Foto: Städel Museum Eines der Hauptwerke in der Mittelaltersammlung des Städel ist der Schrein samt bemalten Seitenflügeln des Altenberger Altars. Um 1330 entstanden, bringt er die typisch deutsche Praxis auf den Weg, vielerlei Ansichten anzubieten, die sich im Lauf des Kirchenjahrs mit Werktagen, Sonntagen, Feiertagen verändern. Der Altenberger Altar hat nicht nur Malerei und Skulptur anzubieten, sondern auch leere Nischen, in denen einst Reliquiare standen, die zu besonderen Anlässen zu bestaunen waren. Stoffbehänge für den Altartisch gab es noch dazu. All diese Dinge, in die Welt verstreut, sind nun wieder zusammengekommen, aufbereitet zu einem Ensemble, das vor allem auch museologisch interessant ist. Die Dinge sind allesamt in einem Raum drapiert, aber sie liegen einzeln in Vitrinen, präsentiert als jene autonomen Werke, zu denen sie die Kunstgeschichte gemacht hat. Die Rekonstruktion zu einer Gesamtansicht findet nur virtuell statt. Versöhnende und trennende Historie, Kontinuität und Bruch erklären sich gemeinsam. www.staedelmuseum.de Schirn: Kunst für alle. Der Farbholzschnitt in Wien um 1900 Ludwig Heinrich Jungnickel, Rauchende Grille, 1910, Farbholzschnitt, 40,3 x 45,9 cm, Privatsammlung Deutschland Tobias Natter, der Tausendsassa für alles Wienerische um 1900, hat eine neue Marktlücke entdeckt. Tatsächlich ist unter den vielen Techniken, Medien, Gattungen, die man mit dem Gesamtkunstwerk Fin de Siècle verbindet, der Farbholzschnitt unterschätzt geblieben. Zu Unrecht, zeigt Natters Versammlung in der Schirn, die weg blickt vom obligatorischen Wiener Dreigestirn und dafür die kleineren Meister und vor allem auch Meisterinnen ins Visier nimmt. Das Vorgeführte ist delikat, kulinarisch, gutbürgerlich, und es leistet sich eine subtile Schlagseite ins Politische: „Kunst für alle“ ist nicht weniger als demokratisch gemeint, die Drucke waren von Natur aus erschwinglicher als die Gemälde, ohne die ästhetischen Prämissen der Zeit, Flächigkeit, Betonung der Kontur, Ornamentalität, zu vernachlässigen. Affirmative Action um 1900: So liebt man es heutzutage. Was man auch liebt: eine Ausstellungsarchitektur, die sich deutlich aus dem Fenster lehnt, die spektakulär sein will, aber bloß hässlich ist. Die wirklich wunderbare Schau sollte, wenn sie zweite Station in der Albertina macht, die schiefen Wände und schwarzen Kojen des kryptisch dekonstruktivistischen Designs, losgeworden sein. www.schirn.de
Mehr Texte von Rainer Metzger

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