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Im Umfeld der Art Bodensee in Dornbirn, die sich damit schmücken kann, eine sommerliche Salonmesse mit entspannt-kunstsinnigem Flair zu sein – siehe unser Bericht, gab es natürlich noch einiges im Ländle und im Städtle von Vaduz zu entdecken. Absolut keine leichte Sommerkost ist im Kunsthaus Bregenz / KUB die dritte von Direktor und artmagazine Causerie-Autor Thomas D. Trummer kuratierte Ausstellung des ägyptischen Künstlers Wael Shawky (geb. 1971). Zwar dargestellt von pittoresk-grotesken Marionettengestalten aus Murano-Glas in prächtig opulenten Gewandungen führt er die Geschichte Kreuzzüge vor – aus arabischer Sicht und in arabischer Sprache! – und macht das Trauma klar, das die arabische Welt damals erlebt hat. Shawky greift auf Amin Maaloufs*) Buch Der Heilige Krieg der Barbaren zurück, erschienen vor 20 Jahren. Im Prolog (Bagdad, August 1099) wird Kadi Abou-Saad al-Harawis erregte Vorsprache beim Kalifen zitiert: „Ihr wagt es, im Schatten einer glücklichen Sicherheit selig dahin zu träumen, in einem sorglosen Leben wie die Blume des Gartens, während euren Brüdern in Syrien nur noch die Mägen der Geier als Aufenthaltsort dienen! Wieviel Blut ist dort geflosssen...?“ Bei Shawky sind es Kunstfigürchen, auch andere künstlerische Installationen zum Thema in allen drei Stockwerken. Geschichte:Gesellschaft:Religion:Aggression – wie als KünstlerIn, als Kunsthaus damit umgehen. Welche Geste ist es, wenn sich das KUB als „blassgrüne Kaaba“ bezeichnet (eine Stellungnahme von Architekt Peter Zumthor ist noch ausständig) und sich bescheidet: Kunst kann Probleme nicht lösen, sie kann jedoch Perspektiven eröffnen, existenzielle Fragen in ein anderes Licht zu rücken. Auch unmittelbar nebenan geht es um Geschichte – und um Gegenwart: Im Vorarlberg Museum, das 2013 einen großzügigen Zubau (Verdopplung der Ausstellungsfläche) erhielt und dem just dieser Tage der Museumspreis 2016 zuerkannt wurde. Gratulation! – Aktuell wird Geschichte begehbar gemacht, indem Freilegungssituationen römischer Funde aus der Gegend in einzelnen Episoden nachgestellt werden und über Glasabdeckungen begehbar sind – ein psychologischer Verstärkungseffekt des Abtauchens in die unteren (Ge)Schichten. Eine wichtige Sonderschau widmet sich 10.000 Jahren Bergbau in der Region und als eigener Block dreht sich eine Ausstellung dem Berühren, physisch (be-)handelnd und emotional, etwa in Liebesbriefen, die z.T. zu Gehör gebracht werden. Rührend, wenn man genau die Stelle erfährt, wenn der Schreiber anno dazumal drängt: „Gib acht, dass der Brief niemand in die Hände fällt!“ – Ein Geheimtipp und dennoch bereits Publikumsliebling ist inzwischen der Panorama-Raum im Obergeschoß, von Florian Pumhösl als teleskopartig ausgefahrene black box gestaltet, mit einem faszinierenden Blick über den Bodensee. Abstecher nach Vaduz. Auch hier ein Blick in das Liechtensteinische LandesMuseum, das natürlich vielfältig Einblicke gibt, was Tradition, Volkskultur, Geschichte und heimische Natur anbelangt, aber auch z.B. die aktuelle Sonderausstellung zur Geschichte der Olympischen Spiele bietet. Unbedingt erwähnt werden muss aber die augenzwinkernde Kunst-Intervention im Stiegenhaus von Roland Faesser „10 members of the clan“ (2003): eine Galerie von stilisierten Hirschköpfen, mit Karo-Stoff überzogen und aufgesetzten Geweihen. Ein paar Schritte weiter in der Kulturmeile von Vaduz, dem Städtle, findet sich das wie zweieiige Zwillinge anmutende Kunstmuseum Liechtenstein, 2000 eröffnet, mit dem 2015 angeschlossenen Gebäude der Hilti Art Foundation*). Als gäbe es hier eine besondere Affinität zu steilen, nicht enden wollenden Treppenaufgängen... zur Kunst und Kultur. Im Fall des Museums führt ein solcher zur Sonderausstellung „Travelogue“ von Charlotte Moth. Aber die Skulpturen im Erdgeschoß, durch einen relativ kleinen Eingang ersichtlich, hatten höhere Attraktivität. Max Bill, Karl Prantl, Fritz Wotruba, ein früher Tony Cragg, von ihm auch Grafiken, ebenso von Eduardo Chillida - und Georg Malin. Es ist SEINE Ausstellung, eine Retrospektive über den Museumsmann und Künstler. Der 1926 geborene Georg Malin war der erste Leiter der 1968 ins Leben gerufenen Stiftung „Liechtensteinische Staatliche Kunstsammlung“. Grundstein dieser Sammlung waren zehn Gemälde Alter Meister. Malik setzte Schwerpunkte in Grafiken und Skulpturen seit Beginn des 20. Jahrhunderts, inkl. Klimt, Schiele, Nolde, Kandinsky, Klee, Arp... - Bestechend die Gruppe von Richard Serra Vesturey I – III, Radierung und Aquatinta auf Papier, bei der sich der Künstler auf extravagante, extrem tiefe Ätzungen der Druckplatte einließ und schließlich eine reliefhafte Erhöhung erzielt. Aus der Eröffnungsausstellung der Hilti Art Foundation (seit Mai 2015 bis 9. Oktober 2016) „Beckmann, Picasso, Giacometti & mehr. 50 Werke aus der Hilti Art Foundation“, die weitere Einzelwerke von Gauguin, Miró, Gris, Kirchner, Giacometti, Marc, Manzoni (etc.) zeigt, soll als Highlight die Positionierung des Gemäldes Homage to the Square, 1959 von Josef Albers neben der kinetischen Arbeit Spazio elastico, 1968 von Gianni Colombo hervorgehoben werden. Dass ein Schnitt von Fontana, Concetto spaziale – Attese, 1966 leicht abgerückt folgt, ist ein sanftes Abklingen und Übergang ins normale Aneinanderreihen von namhaft Gesammeltem, immerhin Yves Klein, Günther Uecker. Tipp für den Sommer: Augen offen halten! -- *) Amin Maalouf (* 25. Februar 1949 in der Nähe von Beirut) ist ein französischer Schriftsteller libanesischer Herkunft mit maronitischen und melkitischen (christlichen) Wurzeln. *) Rainer Metzger zur Hilti Art Foundation Webadressen der Museen und Ausstellungshäuser: www.kunsthaus-bregenz.at www.vorarlbergmuseum.at www.landesmuseum.li www.kunstmuseum.li www.hiltiartfoundation.li
Mehr Texte von Aurelia Jurtschitsch

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