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Jürgen Klauke - Einblick / Ausblick: Humor der Leere

Elisabeth und Klaus Thoman werfen in ihrer aktuellen Ausstellung in Innsbruck mit neun Fotoarbeiten von Jürgen Klauke einen Blick zurück auf die Jahre 1970 bis 1988 und zeigen darin in nüchterner Klarheit, fast beiläufig, denn frei von jedem koketten Spektakel, die ungebrochene Aktualität der gänzlich in Schwarz-Weiß gehaltenen Arbeiten. Diese liegt nicht nur an der für Klauke charakteristischen existenziellen Thematik, die wohl permanent Gültigkeit behält, sondern auch an den formalen Qualitäten der künstlerischen Umsetzung. Im Werk von Jürgen Klauke (1943 geboren) sind Performance und Fotografie zu heterogener Eindringlichkeit verwoben. Die Ausstellung bei Thoman hebt mit den zwei Tableaus Hängen im Karton (1980/81) und Zeit schinden (1980/81) an. Drei Reihen von Fotografien lassen jeweils zwischen Klauke und einem zweiten Protagonisten einen pantomimischen Dialog entstehen; mit reduzierten Requisiten richtet Klauke die Aufmerksamkeit ganz auf die in Szene gesetzte Körpersprache. Innerhalb der Serie läuft ein konsequentes Spiel mit Wiederholung und Spiegelung von Ähnlichem, Unähnlichem und Gleichem ab. Die Dramaturgie gleicht einem paradoxen Schauspiel in drei Akten, ohne Logik und lineare Abfolge. Der betrachtende Blick wird fortwährend in gegenläufige Richtungen geführt, unergründlich bleibt die Auflösung der absurden Narration. Er bewegt sich in einem Epos sinnlos komischer Aktionen, wie sie von einer unentrinnbaren und gnadenlosen Langeweile erzeugt werden. Die inhaltliche Leere und der schmerzhafte Humor erinnern an das Theater Becketts. In der eigenwilligen axialen Anordnung schwingt eine sakrale Stimmung mit, ähnelt sie doch der Formation katholischer Flügelaltäre. Dadurch wird das Gewicht der Aussage bekräftigt bzw. die spezifische Gültigkeit zu einer allgemeinen und überzeitlichen. Die Langeweile ist ein großes Thema Jürgen Klaukes, der er u.a. in der Serie der Formalisierung der Langeweile vielfältige und auch monumentale Werke widmete. Eine solche Formalisierung der Langeweile (1980/81) ist bei Thoman den Tableaus gegenübergestellt. Die an den Tableaus beobachteten Charakteristica, das Drama und seine möglichen Auswüchse, sind in einer einzigen Szene verdichtet. Mit knappen Stilmitteln ist die bedrückende innere Leere und der drohende Verlust der Identität und der Bewusstheit des eigenen Seins drastisch verbildlicht. In den Boddys (1970/2000) wird ein anderer Themenkomplex gegenwärtig, der Klaukes Schaffen durchgehend prägt: sexuelle Selbstbestimmung und Selbstentwurf. In der siebenteiligen Fotosequenz sind ausgestopfte Strumpfhosen in körperähnlichen Konfigurationen abgelichtet. Die surrealen Arrangements erinnern an Hans Bellmer wie an die sehr viel später entstandenen Figuren von Sarah Lucas. Die kopflosen Gebilde sind Stellvertreter für gesellschaftliche und zwischenmenschliche Verhältnisse. Sie verkörpern ein pervertiertes menschliches Sein, getrieben und gezwungen zwischen Sexualität und Tod. In Ausschnitte (1970/96) wird sexueller Zwang und voyeuristische Gier gerade durch eine Maskerade entlarvt. Füllmaterial für Matratzen sind in Wäsche gestopft, rein assoziativ wird die entblößte Geschlechtlichkeit erkannt und zugeordnet. An der Stirnseite der Galerie wird die großformatige Arbeit Toter Fotograf (1988/93) präsentiert. Klauke ließ sich in fotografierender Pose mittels eines flughafenüblichen Gepäckschachts selbst durchleuchten und fotografierte das Bild auf dem Monitor. Das Resultat sind eine Verschiebung der Hell-Dunkel-Verhältnisse, fremdartige Schärfen und Raster, hintergründige Tiefenschichtungen. Diese Verfremdungen sowie die Übergröße des Dargestellten und die Zeileninterferenz schaffen eine Formalisierung und damit Distanzierung, die zeitliche Dimensionen beschwört, eine Überhöhung. Der Fotograf in Aktion ist zu seinem Phantom geworden. Das Anwesende ist in Abwesenheit geraten. Das Röntgenbild wird zum mystischen Bild der Vergänglichkeit, der Zerbrechlichkeit der menschlichen wie der eigenen Existenz, aber auch des photographischen Augenblicks. Die Arbeit Toter Fotograf ist markant positioniert, als sollte sie auch thematisch die versammelte Werkreihe dominieren, Spuren eines tragischen Humors, mit dem Klauke sinnentleertes Leben zu einer Parodie transformiert, in absurd-poetischen Bildern.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Jürgen Klauke - Einblick / Ausblick
09.07 - 10.09.2016

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
6020 Innsbruck, Maria-Theresien Straße 34
Tel: +43-1-512 -57 57 85, Fax: +43-1-512 -57 57 85 13
Email: galerie@galeriethoman.com
http://www.galeriethoman.com
Öffnungszeiten: Mi-Fr 12-14 h


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