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Isa Genzken - Mach Dich hübsch!: Hübsch hässlich?

Schon wieder eine große Isa Genzken-Ausstellung – macht das eigentlich noch Sinn? Die aktuelle Retrospektive „Mach Dich Hübsch!“ im Berliner Martin-Gropius-Bau beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja. Kaum eine Künstlerin kann ein so breit gefächertes Werk aufweisen wie Isa Genzken. Diese Bandbreite betrifft sowohl das Spektrum der von Ihr eingesetzten Medien, das von Malerei, Künstlerbuch über Skulptur bis hin zu Installation, Photographie und Video reicht, wie auch der Ästhetiken, in der diese Kunst in den letzten gut 40 Jahren sich verorten lässt: Nach ihren frühen „materialorientierten“, der Minimal Art nahestehenden Arbeiten folgten solche, die eher dem Kontext von Konzeptkunst, dann dem von Realismus und später dem Post-Pop oder dem „Trash“ zuzuordnen waren. Die dreimalige documenta-Teilnehmerin Isa Genzken ist also das krasse Gegenteil von einem sogenannten „one trick pony“ und nicht zuletzt deshalb lässt sie manche, bezeichnenderweise vor allem vom Kunstmarkt gefeierte KünstlerInnen der jüngeren Generation mehr als alt aussehen. Kein Wunder also, dass Isa Genzken längst auch international zu den bedeutendsten Künstlerinnen gehört, nicht zuletzt ihre große Retrospektive im New Yorker MoMa 2013 machte dies deutlich. Es folgten viel beachtete Ausstellungen z. B. in der Kunsthalle Wien, im Museum der Moderne Salzburg und im Amsterdamer Stedelijk Museum, die nun im Gropius-Bau zu sehen ist. Die Ausstellung bietet nicht nur einen klugen Überblick über alle Werkgruppen der Künstlerin, etwa von frühen Beton-Skulpturen, die sich mit Architektur auseinandersetzten, über Fotos, die sich u.a. mit dem Thema Selbstporträt beschäftigen bis hin zu „konsumkritischen“ Skulpturen aus unterschiedlichen, oft mehr oder weniger „hässlichen“, ja „angeschlagenen“ Alltagsgegenständen wie zerfetzten Möbeln, kaputten Sonnenschirmen und Rollatoren. Das Aufeinandertreffen all dieser Werkgruppen auf nur einer Etage im Gropius-Bau macht schnell klar, dass bei aller Heterogenität dieses Werkes ein ausgeprägter Hang zu formaler, ja letztlich „schöner“ Komposition den überzeugenden Zusammenhang des Oeuvres dann doch herstellt. Zudem bietet diese opulente Ausstellung auch Demjenigen, der in letzten Jahren immer wieder dieses Werk rezipieren konnte, die Möglichkeit neue Wege der Annäherung zu finden. Für mich war jetzt z. B. überraschend, in welchem Maße Genzkens Kunst Parallelen zu der von Marcel Duchamp aufweist. Das Spielen mit Gegensätzen – bei Isa Genzken etwa die von abstrakt/gegenständlich, innen/außen, stabil/fragil, hübsch/hässlich, Geschichte/Gegenwart, Einzelstück/Serie und Kritik/Affirmation – ist in beiden Oeuvres von wiederkehrender Bedeutung. Auch die besagten Bandbreiten von Medium und Ästhetik finden sich hier wie dort. Das Readymade spielt offensichtlich bei beiden Künstlern eine wichtige Rolle, genauso wie das Anknüpfen an bestehende Werke bzw. ihr variierendes Wiederholen. Beide sind fasziniert von Fenstern und Glas, sie verbindet zudem ein ausgeprägtes Interesse am Selbstporträt und damit einhergehend ihre Neigung zu Rollenspielen sowie ihr Beharren auf eine intensive Reflexion über die eigene Rolle als Künstler. Isa Genzkens Installation „Nofretete“, 2014, die nicht nur in der Ausstellung, sondern auch auf dem Plakat zu „Mach Dich Hübsch!“ zu sehen ist, bringt diese Parallelen auf den Punkt: Sieben Gipsbüsten, die Nachbildungen der antiken Nofretete (Wortbedeutung: Die Schöne ist gekommen) darstellen, hat die Künstlerin sieben verschiedene, überaus moderne, zum Teil „männliche“ Sonnenbrillen aufgesetzt – vergleichbar Marcel Duchamps künstlerischen Strategie des Bemalens einer Reproduktion der Mona Lisa mit einem mondänen Schnurrbart. Last, but not least sei diese Gemeinsamkeit erwähnt: Ein Medium lassen, zumindest nach meiner Wahrnehmung, beide Künstler nahezu unberücksichtigt, nämlich das der erklingenden und nicht nur visualisierten Musik. Isa Genzkens wohl einzige Schallplatte“ Tri-Star“, 1981, ist dann auch in „Mach Dich Hübsch!“ nicht zu hören. Und auch die beiden gezeigten Videos haben keine Tonspur.
Mehr Texte von Raimar Stange

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Isa Genzken - Mach Dich hübsch!
09.04 - 26.06.2016

Gropius Bau
10963 Berlin, Niederkirchnerstr. 7
Tel: +49 30 25486-0, Fax: +49 30 25486-107
Email: post@gropiusbau.de
http://www.gropiusbau.de
Öffnungszeiten: Mi-Mo 10-20 h


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