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9. Berlin Biennale: Anzüglich apolitisch

Unter dem Titel „The Present in Drag“ startete jetzt die 9. Berlin Biennale. In den KunstWerken, einem von vier Ausstellungsorten, nutzen vor allem Vertreter der Post-Internetkunst diese Berlin Biennale um von ihrer Faszination virtueller Realitäten zu kunden - und verlieren dabei den Glauben an die Möglichkeiten der „guten alten“ Politik. Das Trauma der Berlin Biennale 7 scheint immer noch nicht überwunden, nutzte doch Alexander Fahrenholtz von der Bundeskulturstiftung, dem Hauptsponsor der BB, die Pressekonferenz zur Eröffnung der Berlin Biennale 9 um einmal mehr das „holzschnittartige“ Politikverständnis der damals eindeutig aktivistisch orientierten BB 7 zu kritisieren. Prompt lobte er dagegen, dass auf der diesjährigen BB 9 in politischen Fragen „keine richtige Seite“ auszumachen sei . Leider hat er recht: Die vom New Yorker Kollektiv DIS ausgesuchten Artefakte übertreffen sich zumeist in ihrer, im glücklichsten Falle, ambivalenten Haltung. Meist erscheinen diese Arbeiten in technisch überaus aufwendiger, ja perfekt-glatter Form, inhaltlich aber erschöpfen sie sich, dem egalitärem Prinzip des Internets folgend, all zu oft in einer postpostmodernen Beliebigkeit. Ach zu komplex und widersprüchlich, so die hier ewig wiederkehrende, letztlich nihilistische Rhetorik, seien doch die Verhältnisse in unserer „Post-Gegenwart“ (DIS), als dass man tatsächlich Stellung beziehen könnte - ob das z. B. Flüchtlinge kurz vor dem Ertrinken im Mittelmeer wohl ähnlich sehen?! In den KunstWerken sind dann Arbeiten zu sehen wie z. B. Amalia Ullmans Videoinstallation „PRIVILEGE“, 2016, in der der Verlauf einer fiktiven Schwangerschaft im Mittelpunkt steht, visualisiert u.a durch auf Monitoren zu sehenden Instagram-Comicbildchen. Eine Metallstange wie aus einer Stripbar steht zudem im Raum, an einer Wand sitzt eine animatronische Taube mit wippenden Schwanzfedern als „emotionaler Unterstützer“ für die werdende Mutter. Eine „Ich-Performance“ im Gewand der Post-Internetart – schrill, pseudosubjektiv und ein wenig esoterisch. Noch unnötiger ist das Gemälde „Everything needs its own absence“, 2014-2015, von Nicolas Fernandez. Es zeigt eine nackte Frau, die inmitten lyrisch-grüner Natur einen Kopfstand macht, während ein Baby an einer ihrer Brüste saugt. Edelkitsch, der in seiner Belanglosigkeit nicht einmal mehr ärgert und mit vermeintlichem „Zeitgeist“ rein gar nichts zu tun. Shawn Maximo hat für die BB eine Unisex-Toilette entworfen, eingebettet in einem nett anzuschauendem Environment aus großformatigen Fotos hyperrealer Welten: „schöner Wohnen“ im 21. Jahrhundert …. Das Aufsichtspersonal in den KunstWerken übrigens ist gekleidet in von Telfar Clemens entworfenen „Uniformen“, auf denen, banaler geht’s nimmer, die Worte „Personal“ oder „Publikum“ zu lesen sind. Zu den wenigen nicht misslungenen Arbeiten in den KunstWerken zählt Camille Henrots Text-Malerei-Installation „Office of Unreplied Emails“, 2016, die ihren Ausgangspunkt in unbeantworteten Emails hat, die die Künstlerin an Politiker und Aktivisten geschickt hat. Dennoch: Insgesamt kommt die Kunst hier über weite Strecken leider absolut unerheblich daher.
Mehr Texte von Raimar Stange

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9. Berlin Biennale
04.06 - 18.09.2016

KW Institute for Contemporary Art
10117 Berlin, Auguststraße 69
Tel: 0049 (0) 30. 24 34 59 0, Fax: 0049 (0) 30. 24 34 59 99
Email: info@kw-berlin.de
http://www.kw-berlin.de
Öffnungszeiten: Mi-Mo 11-19, Do 11-21 h


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