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Institution, Governance und Zivilgesellschaft: Neue Entwicklungen

Neulich im Workshop: Als es um die unterschiedlichen Methoden der Programmierung von Kulturveranstaltungen geht, stellt eine Teilnehmerin die Frage, ob es denn nicht denkbar wäre, mit Umfragen herauszufinden, welche Inhalte denn gewünscht wären? „Pflichtgemäß“ erläutere ich, dass von dieser Methode keine zweckdienlichen Ergebnisse zu erwarten wären, da die Notwendigkeit konziser Programmentwicklung nicht an anonyme UmfrageteilnehmerInnen ausgelagert werden könne. Obwohl zu Beginn des Workshops herausgearbeitet wurde, dass meist ein gewisses Defizit am Anfang neu gegründeter Festivals und Biennalen steht, verbietet es das Selbstverständnis des Kunstbetriebs doch weigehend, die Frage nach inhaltlichen Defiziten und Wünschen mit den Methoden der Sozialwissenschaft anzugehen, versteht man sich doch selbst als Gradmesser für die Notwendigkeiten der Gesellschaft, ein Selbstbild, das sich in dem gerne wiederholten Legitimationsargument von der Kunst als „Sensorium für gesellschaftliche Entwicklungen“ zeigt. Geht es um Programme vertraut der Kunstbetrieb der Einzelmeinung von KünstlerInnen, DirektorInnen, KuratorInnen und IntendantInnen. Zwar lässt sich beobachten, dass diese Funktionen immer häufiger von Teams wahrgenommen werden, dennoch besteht Konsens darüber, dass Programme eine „Handschrift“ benötigen, eine Metapher, die gut zu den damit assoziierten Qualitäten von „Persönlichkeit“, Einzigartigkeit“ und „Charakter“ passt. Zusätzliche Legitimation erfährt die jeweilige Autorität durch ein branchentypisches Sendungsbewusstsein, dem im besten Fall etwas Volksbildnerisches zu eigen ist. Als Gegenpol zu diesen akzeptiert-autokratischen Formaten haben sich Ausschreibungen und Wettbewerbe etabliert. Während Ausschreibungen als Zeichen programmatischer Offenheit eingesetzt werden, dienen Wettbewerbe nicht nur der rechtlich-demokratischen Legitimation, sondern auch der Qualitätskontrolle. Doch sowohl Ausschreibungen wie auch Wettbewerbe ändern wenig an der Disposition eines „One Way“-Mediums, in dem an zentraler Stelle Inhalte und Beteiligungsformate entwickelt werden, während die EmpfängerInnen der Botschaften dazu aufgefordert werden, auf diese zu reagieren. In Österreich brachten zwei der jüngsten museumspolitischen Gesetzesvorhaben neue Entwicklungen im Bereich der Beteiligung mit sich: Sowohl für die Neuorganisation der KZ Gedenkstätte Mauthausen wie auch für das Haus der Geschichte Österreich wurden Gremien entwickelt, die dazu dienen sollen, gesamtgesellschaftliche Ansprüche und Interessen stärker in die Organisationsform zu integrieren. Für die KZ Gedenkstätte Mauthausen sehen die soeben begutachteten Entwürfe (1) einen „gesellschaftlichen Beirat“ vor, an dem jedoch die gremiale „Gleichbehandlung“ von OpfervertreterInnen mit anderen „Anspruchsgruppen“, wie etwa den VertreterInnen der Standortgemeinde Mauthausen oder den VertreterInnen aus der „Sozialpartnerschaft“ etwas verwundert. Auch das vor Kurzem beschlossene „Publikumsforum“ „zur beratenden Einbindung der Zivilgesellschaft“ in das Haus der Geschichte Österreich zeigt, dass Teilhabe hierzulande primär als eine beratende Beteiligung von Verbänden ausgestaltet wird. Das bis zu 34-köpfige Gremium wird sich unter anderem aus VertreterInnen des Verbandes österreichischer Archivarinnen und Archivare, dem Museumsbund Österreich, ICOM, der österreichischen HochschülerInnenschaft, der Landwirtschaftskammer, des Gewerkschaftsbunds, des Gemeindebunds, des Städtebunds, des Kriegsopfer- und Behindertenverbands, der Wirtschaftskammer etc. etc. zusammensetzen, zu denen dann noch vier VertreterInnen auf Vorschlag der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften stoßen werden. (2) Genauen BeobachterInnen der kulturpolitischen Szene wird auffallen, dass der Name „Publikumsforum“ bereits einmal Verwendung fand: Etwas unbemerkt verfügten die Bundestheater seit 1998 über eine Einbindung ihres Publikums in Form eines Gremiums gleichen Namens. Dieses war bei seiner Einführung umstritten, unter anderem, da befürchtet wurde, dass damit einer Klientelpolitik Tür und Tor geöffnet werden würde. Im Rückblick fällt auf, dass das Publikumsforum der Bundestheater – welches im Jahr 2014 „wegen geringen Interesses“ abgeschafft wurde – als gewähltes Gremium mit einem Sitz im Aufsichtsrat vorgesehen war. Wahlberechtigt waren Personen, die über ein Abonnement oder eine vor kurzem erworbene Eintrittskarte verfügten, und die von 25 anderen Personen aus demselben Kreis unterstützt wurden. Ohne auf dieses Modell hier näher eingehen zu können, lässt sich sagen, dass es im Bereich der großen Kulturinstitutionen noch wenige andere Versuche gab, mit gesetzlich geregelten Formen der Einbindung von Anspruchsgruppen zu experimentieren. Der Normalfall bleibt die Entsendung von BeamtInnen und VertreterInnen (häufig sozialpartnerschaftlicher) Organisationen in Kuratorien und Beiräte, mit seltenen Erweiterungen um gewählte VertreterInnen, wie etwa im Publikumsrat des ORF. Es kann darüber nachgedacht werden, ob und wie sich der gesamtgesellschaftlich spürbare Wunsch nach Ausweitung direkter Einflussnahme – sei es im Wege des Do-It-Yourself oder als Teil einer ständig reiz- und reaktionsbereiten Bevölkerung – auch auf die Governance großer öffentlicher Institutionen auswirken wird? Nicht zuletzt nähert sich die Beziehung zwischen Publikum und Institution in Zeiten von BesucherInnenorientierung und hoch entwickelter Medien- und Datennutzung ohnehin bereits einem permanenten Feedbackloop an. Eine andere Schnittmenge dieser Diskurse besteht zu einem avancierteren Verständnis von „Partizipation“: Diesen Anspruch formulierte etwa die Kuratorin und Kunstvermittlungsexpertin Nora Sternfeld, die in ihrem Plädoyer „Um die Spielregeln spielen“ vorschlägt „Partizipation nicht als bloßes 'Mitmachen' zu begreifen, sondern als eine Form der Teihabe und Teilnahme, die die Bedingungen des Teilnehmens selbst ins Spiel bringt“. (3) Für Diskussionsstoff ist gesorgt. (4) -- (1) Entwurf Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesanstalt „KZ-Gedenkstätte Mauthausen/Mauthausen Memorial“ (Gedenkstättengesetz – GstG) (2) Bundesmuseen-Gesetz 2002, Fassung vom 30.05.2016 (3) Nora Sternfeld, Um die Spielregeln spielen, Partizipation im post-repräsentativen Museum, in: Susanne Gesser et al. (Hg.), Das partizipative Museum: Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen, Bielefeld 2012. (4) Compliancehinweis: Der Autor ist durch die Gesellschafterin (Stadt Wien) bestelltes Mitglied im Aufsichtsrat der Kunsthalle Wien GmbH.
Mehr Texte von Martin Fritz

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