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Endzeitstimmung

Klaus Mann, Jahrgang 1906, war der älteste Sohn von Thomas Mann. Er war hochbegabt, er war nervös er war hin und her geworfen von seinen diversen Süchten, eine sehr passende Figur für die hochbegabten, nervösen, süchtigen 20er Jahre mit ihrer Metropole Berlin. Klaus Manns Tagebuch liefert keine Epik an breit fließendem Räsonnement wie das seines Vaters. Es ist ein Stakkato an atemlosen Notizen und gibt Zeugnis ab für die Endzeitstimmung in den Monaten, da die Nazis am Horizont lauerten. Eintrag am 7. Dezember 1931: „III. Reich allgemeines Gesprächsthema. Von vielen für übermorgen erwartet.“ (S. 18) Am 11. Januar 1932, mehr als ein Jahr vor der Machtübernahme, eine bezeichnende Episode für den vorauseilenden Opportunismus damals, sie betrifft Ludwig Marcuse, den Berliner Kritiker, der für die im jüdischen Ullstein-Verlag erscheinende Vossische Zeitung schrieb: „Markuse (sic!) erzählte... gestern, dass die Vossische seine Filmkritiken ohne Unterschrift bringt, weil möglichst wenig jüdische Namen bei Ullstein erwünscht sind; soweit wären wir.“ (30). Dann immer wieder Zustände von höchster Beklemmung. Eintrag am 21. Mai 1932: „Viel geträumt. Gegen 3 mit großer Angst aufgewacht“ (53), am 1. Juni: „Herr v. Papen als neuer Kanzler. Misstrauen und Angst.“ (55) Oder, als Fanal, am 13. Juni: „An den Selbstmord gedacht.“ (57) Am 9. Juli 1932 die groteske Kundgebung: „Anti-fascistische Plaquette gekauft und angesteckt.“ (62) Am 14. Juli kommt es zu einer Begegnung der ganz seltsamen Art: „Direkt am Nebentisch: Adolf Hitler, in blödester Gesellschaft. Seine geradezu auffallende Minderwertigkeit. Äusserst unbegabt; die Faszination, die er übt, grösste Blamage der Historie; gewisser sexualpathologischer Einschlag kann nicht alles erklären.“ (64) Doch das bildungs- und herkunftsstolze Gefühl der Überlegenheit hält nicht lange an, und am 30. Januar 1933, dem ominösen Tag, der alles ändert, steht zu lesen: „Die Nachricht, dass Hitler Reichskanzler. Schreck. Es nie für möglich gehalten.“ (113). Am 13. März 1933 verlässt Klaus Mann Deutschland. Er wird es erst wieder betreten als Offizier der Armee der Vereinigten Staaten, die dem Horror ein Ende setzt. Letzter Satz im Tagebuch unter diesem 13. März: „Im Schlafwagen mit ganz sympathischem Amerikaner.“ (123) Die Familie Mann, Klaus und seine fünf Geschwister, seine Eltern und sein Onkel Heinrich mit Frau, ist geschlossen in die Emigration gegangen. Sie hat damit eine der Möglichkeiten skizziert, wie man reagieren konnte auf den Einfall der Barbarei. Gäbe es eine Form von Patriotismus, die der Perversion des Deutschen, die damals allen um die Ohren schlug, gemäß sein konnte, so war es in der Tat derjenige Klaus Manns. Anders als etwa Bertolt Brecht, der im goldenen Käfig Kaliforniens vor sich hin schmollte, engagierte Mann sich für das Land, in dem er geboren wurde und aufwuchs. Das konnte nichts anderes bedeuten als die Akzeptanz von Gewalt. „Gegen einen Korsaren – anderthalb Korsaren“, verlautbarte der im Blog „Einbruchstelle“ vor drei Wochen zitierte, verzweifelt-verwegene Satz Carl von Ossietzkys. Klaus Mann hat ihn beherzigt – um den Preis des Verstummens aller Kultur. Klaus Mann als US-Sergeant in Italien, 1944. An der Wand hängen Flugblätter, die zum Teil von ihm verfasst sind. Handschriftenabteilung der Stadtbibliothek München -- Zitiert nach: Klaus Mann, Tagebücher 1931 – 1933, München 1989
Mehr Texte von Rainer Metzger

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