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1933 – 1945

Schwarze Jahre: So nennen sie im Hamburger Bahnhof in Berlin jene allerfinsterste Zeit, in der eine Revolution angezettelt war, die keinen Stein mehr auf dem anderen ließ. Die Jahre 1933 bis 1945 werden betrachtet in Gestalt der Schicksale, die den Bildern aus den Beständen der Nationalgalerie auferlegt waren. Viele von ihnen wurden als „entartet“ gebrandmarkt, doch auch diejenigen, die der verhunzten Ästhetik des Regimes zupass kamen, wurden versehrt. Die „Toteninsel“ von Arnold Böcklin aus den 1880ern, des Schweizers, mit dem immer schon als Fanal des Deutschtums gedröhnt wurde, prangt etwa im Hintergrund des Führers. Die Ausstellung zeigt das Gemälde und sie erklärt, muss erklären mittels Text und weiterem Bildmaterial, was den eklatanten Missbrauch ausmacht. Hermann Göring (li.) spricht bei der Vorbesichtigung zur Präsentation „Neue italienische Meister“ im Kronprinzenpalais, 14. Februar 1933. An der Wand von li. nach re.: Giorgio de Chirico, Serenade (1909), Felice Casorati, Die Mutter (1923/24), Giorgio de Chirico, Bildnis des Bruders Andrea (1909/10) und Achille Funi, Der heilige Sebastian (1925). Alle Werke werden in der Ausstellung „Die schwarzen Jahre. Geschichten einer Sammlung, 1933–1945“ gezeigt. Zentralarchiv, SMB, ZA 2.17.4./00536. Photo Gesellschaft „Atlantic“ Das ergibt eine spannende Rekonstruktion. Kirchner und Feininger und Picasso, die Stoßtruppe der Avantgarde, nehmen Aufstellung und zeigen in ihrer schieren Modernität, warum die Nazis sie hassten. Das hatte man natürlich schon gewusst. Interessanter, weil prekärer sind Positionen wie jene Rudolf Bellings, dessen kubistischer „Dreiklang“ in die Münchner Schandausstellung von 1937 abwanderte, während sein Porträt Max Schmelings in der Großen Deutschen Kunstausstellung vorgeführt wurde – Kanon und Anti-Kanon in Personalunion. Durchaus unfreiwillig zeigen „Die schwarzen Jahre“, dass die NS-Unkultur zumindest konsequent war. Abstrakt wird gegen figurativ ausgespielt, das Avancierte gegen das Traditionelle, und so scheint die Etikettierung durch Hitler und seine Schergen nur folgerichtig. Ein wenig spielt diese Logik dem damaligen Ungeist in die Hände. In der Pinakothek der Moderne in München haben sie jetzt einen Saal freigeräumt, der eben die Jahre 1933 – 1945 auf seine Art spiegelt. Dafür mussten Adolf Zieglers, des Reichsschamhaarmalers „Vier Elemente“ aus der Versenkung geholt werden, man konfrontiert sie mit Karl Hofer, der auch in Berlin seine Rolle als Paradekontrahent der Nazis spielt. Ebenfalls an beiden Orten ist Karl Kunz vertreten, dessen deutlich an „Guernica“ orientierte Innenansichten aus dem totalen Krieg so wild schreien, wie Gemälde es nur können. Natürlich hat man derlei Anklagen, von wem auch immer sie künstlerisch artikuliert werden, schon lange vernommen. Richtig packend wird der Raum in der Revue dreier Winterlandschaften. Zwei von ihnen, das eine stammt von Günther Großmann, das andere von Wolf Panizza, wurden als „entartet“ gebrandmarkt, die dritte dagegen von Hans Müller-Schuttenbach ging als arisch durch. Den Bildern ist, anders als in der Gegenüberstellung der beiden Belling-Arbeiten in Berlin, ihre Tendenz schlechterdings überhaupt nicht anzusehen. Alle drei sind brave Momentaufnahmen frostiger Atmosphären. Es gibt keine Logik dafür, jedenfalls keine, die sich aus der Gemachtheit der Bilder erschließen ließe, wie der Totalitarismus mit ihnen verfuhr. Die Logik des Totalitarismus ist Willkür, und genau diesem Zäh-wie-Leder-hart-wie-Kruppstahl-Dezisionismus waren diese Jahre ausgesetzt: Ihre Bilder wie ihre Menschen. Der Politologe Ernst Fraenkel schrieb aus dem Exil 1941 heraus vom „Doppelstaat“, den die Hitlerei aufgebaut habe: Einem „Normenstaat“, der eine wie auch immer barbarische Politik verkörpert, stand ein „Maßnahmenstaat“ gegenüber, der sich in purem Zuschlagen verausgabt. Diesem Maßnahmenstaat war wie alles andere auch die Kunst preisgegeben. Nachvollziehbar ist da nur die Brutalität.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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