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Das Kunstmuseum

Wenn ein Buchtitel seinen Sachverhalt auf einen einzigen Begriff bringt, ihn im Singular darbietet und mit dem bestimmten Artikel versetzt, dann ist die Darstellung aufs Prinzipielle aus. Entsprechend meint es Walter Grasskamp mit seinem Traktat über „Das Kunstmuseum“ sehr kategorisch. Das Überhaupt dieser „erfolgreichen Fehlkonstruktion“ steht auf dem Spiel, hier werden einer Institution, die sich längst sakrosankt dünkt, auf 150 deklamatorischen Seiten schlicht die Leviten gelesen. Grasskamps Exegese ist sehr vergnüglich, sehr erhellend und sehr richtig. Das Kunstmuseum, wie es sich in der Gegenwart, und ausschließlich um diese geht es, präsentiert, ist eine Addition von fünfzehn Paradoxien, die sich aus der verqueren Ökonomie dieser Häuser ergeben. Sie kaufen etwa Objekte ein, bei denen sie die hohen Folgekosten gleich mitberechnen; sie wissen, dass sie ihre Erwerbungen nicht weiter verkaufen dürfen; sie sammeln Dinge, die sie zum Großteil nicht zeigen können, und hören gleichwohl nicht auf, immer weiter zu horten; all das kostet sie immer mehr Geld, auf dessen steten Zufluss sie nicht nur vertrauen, sondern ihn mit allerlei Getöse einfordern; Museen, so Grasskamps wunderbares Fazit, setzen nicht nur auf Besitzstandswahrung und nicht nur auf Besitzerweiterung, sondern insgesamt auf „Besitzerweiterungswahrung“. Neben Odo Marquardts „Inkompetenzkompensationskompetenz“ ist das jetzt mein Lieblingswort. Noch so ein Paradox: Kunstmuseen erachten es als speziellen Ausweis ihrer Leistungsfähigkeit, Dinge zu sammeln, die den eigenen Leitlinien, Grasskamp bringt sie auf die Punkte Sammeln, Konservieren, Erforschen und Präsentieren, weitestgehend zuwider laufen. Dieter Roth bekommt hier sein spezielles Fett ab, Grasskamp fasst dessen „Salamitaktik“ folgendermaßen zusammen: „So ist es eine spezifisch auf den Impetus des Kunstmuseums abgestimmte Warenästhetik des Verfalls, mit der es von Roth erobert wurde. Die Fragilität seiner Werke ist eine Spekulation auf ein sozusagen verschärftes Nachleben durch überaufwendige Erhaltungsmaßnahmen.“ Dass ihre transgressiven Gesten ohne Kanon nicht auskommen, gehörte immer schon zur Avantgarde. Von Grasskamp bekommt sie es, als wäre es ein Abgesang, jedenfalls wunderschön hinformuliert. Grasskamp sieht, das macht die Verve seiner Sätze aus und ist womöglich seiner Stellung als Emeritus geschuldet, die Dinge schlimmer werden: „Inzwischen haben sich die Verhältnisse dadurch dramatisiert, dass sich ein großer Teil der Kunstproduktion in Überblendungen handwerklicher Ahnungslosigkeit, materieller Sorglosigkeit, vorsätzlichen Austricksens kultureller Tradierungsansprüche und der Imitation außermusealer Strategien bewegt, die sich gleichwohl der Aufmerksamkeit von Ankaufskommissionen empfehlen.“ Eine große Trickserei das alles, und auch diese Diagnose ist nicht neu: Grasskamp selber jongliert sehr geschickt mit ökonomischen Bedingtheiten, moralischen Unbehaglichkeiten und politischen Erwägungen zu Überstrapazierung und Zukunftsängsten. Bedenkenträger wie Grasskamp hat die Moderne gerne als Philister bezeichnet und sie damit erfolgreich aus dem Verkehr gezogen. Einige philiströse Gedanken, Rechnerei zum Beispiel oder das Beharren darauf, die Dinge buchstäblich zu nehmen, würden dem Kunstdiskurs allerdings ziemlich gut tun. Grasskamp hat auf beeindruckende Weise in diese Richtung gedacht. Walter Grasskamp, Das Kunstmuseum. Eine erfolgreiche Fehlkonstruktion, München: C. H. Beck 2016
Mehr Texte von Rainer Metzger

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