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Der Verein: Rechtsform der Kunst

Die Schließungen und Verlagerungen unternehmensnaher privater Kunstorte haben in Wien das Bewusstsein dafür geschärft, dass dennoch mehrere der langlebigsten Organisationen im Bereich der bildenden Kunst als private Vereine geführt sind. Noch deutlicher wird die Bedeutung der ehrwürdigen Rechtsform für das Kulturleben der Stadt, wenn man bedenkt, dass Aushängeschilder des Musikwesens wie die Wiener Philharmoniker, der Musikverein oder die Konzerthausgesellschaft ebenso als Vereine organisiert sind. Dieser Umstand ist historisch kein Zufall, da die Vereins- und Versammlungsfreiheit – in Österreich verfassungsrechtlich seit 1867 geregelt – eine der Errungenschaften der bürgerlichen Revolutionen des 19. Jahrhunderts darstellt – die auch für die Gründung „eigener“ bürgerlicher Kulturorganisationen genutzt wurde. Mit dem Wiener Künstlerhaus und der im Wege einer Abspaltung daraus hervorgegangenen Wiener Secession finden sich bis heute zwei direkt von Künstlern und Künstlerinnen selbstverwaltete Organisationen in unmittelbarer stadträumlicher Nachbarschaft zu den ehemals imperialen und heute staatlichen Institutionen. Nun haben die KünstlerInnenmitglieder des Künstlerhauses zuletzt zwar mit großer Mehrheit beschlossen, die Geschicke ihres Hauses zu einem großen Teil einem Bauunternehmer zu überantworten, doch auch dies ist Ausdruck der Tatsache, dass die zentralen Entscheidungen seit mehr als 150 Jahren in Selbstverwaltung getroffen werden. Die hinter der Wiener Staatsoper gelegene Vereinigung Bildender Künstlerinnen Österreichs (VBKOE) darf in dieser Aufzählung nicht fehlen, umso mehr als es diesem kleinen Verein in den letzten Jahren gelungen ist, mit einer avancierten Programmierung eine mehr als 100-jährige Geschichte zeitgemäß fortzusetzen. Es ist dabei eine österreichische Eigenart, dass diese Kunstvereine von KünstlerInnen gegründet wurden. Im Gegensatz dazu verstehen sich die meisten Kunstvereine in Deutschland als Zusammenschlüsse von kunstinteressierten Bürgern und Bürgerinnen – ein Erfolgsmodell, das sich im österreichischen Kontext nie so richtig etablieren konnte. Zwar sind auch die deutschen Kunstvereine mittlerweile zum Großteil Empfänger öffentlicher Förderungen, dennoch stellt ihre zivilgesellschaftliche Vernetzung ein Legitimationsplus gegenüber den rein staatlich oder kommunal organisierten AkteurInnen dar. Vereine prägen also auf allen Ebenen das kulturelle Leben. Als Folge der verfassungsrechtlich gewährleisteten Vereinsfreiheit zieht sich der Staat dabei auf ein Minimum von Vorschriften zurück. Vereinsgesetze regeln nur organisatorische und aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen und überlassen die Ausgestaltung der inneren „Verfassung“ den Beteiligten. Die wichtigsten Entscheidungen bleiben im Normalfall einer Mitgliederversammlung vorbehalten. Dabei spielt es – zumindest für den Gesetzgeber – keine Rolle, ob es sich um eine Kleingruppe von wenigen Personen oder um eine Organisation mit mehreren tausend Mitgliedern handelt. Es ist eine direkte Folge des Kampfes um Vereins- und Versammlungsfreiheit, dass es relativ schwer ist, von außen auf die innere Verfasstheit von Vereinen Einfluss zu nehmen. Grundlegende Veränderungen benötigen eine Veränderung der internen Machtverhältnisse, für die eine Veränderung der Mitgliederstruktur Voraussetzung ist, die jedoch wiederum fast immer nur von innen erfolgen kann. In diesem Machtzirkelschluss offenbart sich auch eine der Schwachstellen der Rechtsform, wenn es um die Wahrnehmung öffentlicher Interessen geht. Bei geförderten Vereinen ist es daher notwendig, durch Vertragsgestaltungen, Förderrichtlinien und Verwendungsprüfungen sicherzustellen, dass hinter den Vereinskulissen mit der Selbstverwaltung verantwortlich umgegangen wird. Eine ergiebige Quelle für einschlägige Organisationsempfehlungen stellen die Prüfberichte öffentlicher Kontrollinstanzen dar. So finden sich auf der Website des Wiener Stadtrechnungshofs auch häufig Prüfberichte zu Kulturvereinen. Meist folgt auf die sehr gründliche Darstellung der Vereinstätigkeit eine Liste von Empfehlungen: Knapp und bündig wird hier dann etwa das kleine Einmaleins des Rechnungswesens („Keine Buchung ohne Beleg“) ebenso wiederholt wie organisationsrechtliche Mantras („die Statuten sind zu beachten") und andere formale Dauerbrenner, wie der Hinweis auf die Notwendigkeit „einer durchgängigen und nachvollziehbaren Dokumentation der Vereinsentscheidungen“. (1) Auch lange nach 1867 und trotz der vielfältigen Möglichkeiten zu informellen (digitalen) Zusammenschlüssen ist der Verein weiterhin eine legitime Alternative zu Einzelkämpfertum und rein unternehmerischen Organisationsmodellen. Dies insbesondere dort, wo es notwendig ist, als „juristische Person“ verbindlich zu agieren. Ihr Potenzial entfalten Vereine jedoch vor allem dann, wenn die Selbstverwaltung „gepflegt“ und die mit Mitgliedern verbundene Chance zur Verbreiterung der gesellschaftlichen Basis genutzt wird. Die lange Zeit beliebte Form der Vereinsgründungen im Umfeld der öffentlichen Hand – häufig mit BeamtInnen oder anderen weisungsabhängigen AkteurInnen im Vorstand – hat sich dahingegen nicht immer bewährt. In Bereichen, in denen sich die öffentliche Hand aktiv einzubringen wünscht, ist es klarer (und ehrlicher) Organisationsformen zu wählen, in denen die staatliche (Eigentümer)verantwortung auch direkt wahrgenommen werden kann. -- (1) Eine Aufstellung von über 250 Empfehlungen des Wiener Stadtrechnungshofs aus den letzten Jahren findet sich auf der Website des Verfassers.
Mehr Texte von Martin Fritz

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