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Oswald Oberhuber: Manifest der Veränderung

Oswald Oberhuber – kaum eine andere Persönlichkeit hat das Kunstgeschehen in Wien und damit in Österreich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehr und nachhaltiger geprägt als er. Als Galerist, als Ausstellungsmacher, als Lehrer, als Rektor hat er die Szene internationalisiert und dynamisiert. Sein Charisma hat er auch mit seinen 85 Jahren um keinen Hauch verloren. Noch immer wird er verehrt, geliebt, umstritten, wenngleich nicht mehr angefeindet wie in jenen Zeiten, in denen er unbeirrbar und hartnäckig im System Kunst offensiv seinen eigensinnigen scharfen Kurs fuhr und verhärtete Systeme umwarf. Als Rektor (1979-95) revolutionierte er den Betrieb der damaligen Hochschule für angewandte Kunst, schaffte die Professur auf Lebensdauer ab und holte stattdessen Bazon Brock, Joseph Beuys oder Karl Lagerfeld u.v.a. als Gastprofessoren. Er hatte stets jeden Akademismus kompromisslos abgelehnt. Er war unbelehrbar als Schüler der Kunstgewerbeschule in Innsbruck und widerständig an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Fritz Wotruba. Als Leiter der Galerie nächst St. Stephan veranstaltete er u.a. die Ausstellung „Kunst ohne Künstler“ (1969). Er untergrub die Autorität der Signatur, erklärte den wiedererkennbaren künstlerischen Stil für obsolet und beging in Zusammenarbeit mit Beuys ein lustvolles Verwirrspiel mit der Autorschaft, verunsicherte die (selbsternannten) Spezialisten und diskutierte leidenschaftlich auf Augenhöhe mit seinen Schülern gleich wie mit Ministern. Hierarchie war für Oberhuber keine Kategorie. Bisher wurde der Lehrer, Galerist und Rektor Oberhuber fast immer getrennt vom Künstler Oberhuber betrachtet und beurteilt. Erstere Tätigkeit gilt nunmehr unangefochten als bahnbrechende Leistung, über den Wert seines bildnerischen Werks wird nach wie vor diskutiert. Die häufige Spaltung der Person Oberhuber durch die Rezeption ist paradox, denn es ist das eine wie das andere Praxis ein und derselben Haltung. Oberhuber verhandelt grundsätzlich einen ausgedehnten Kunstbegriff. Gleich ob es sich um die Findung einer Zeichnung, einer Skulptur oder die Neuerfindung der Hochschule handelt. Er selbst proklamierte diese Haltung mit dem Begriff der „permanenten Veränderung.“ Auch die Ausstellung im 21er Haus fokussiert und separiert einen Aspekt, den des Künstlers – womit immerhin eine überfällige Würdigung realisiert wird. Aus einer überreichen Fülle suchten die KuratorInnen Luisa Ziaja und Alfred Weidinger Einsicht in das Gesamtwerk zu geben. Die innenarchitektonische Strukturierung, auf der Basis eines Entwurfs Oberhubers entwickelt, wird der Heterogenität des Oeuvres gerecht und steht in stimmiger Resonanz zum Bau des einstigen Welstausstellungs-Pavillons. Die Stellwände bieten Durchblicke und Ausblicke, ermöglichen unerwartete Korrespondenzen in der Zusammenschau des Werks aus unterschiedlichen Perspektiven, sodass die Chronologie vernachlässigt und zur Nebensächlichkeit wird, die besten Voraussetzungen für eine überzeugende Oberhuber–Schau. Die Auswahl und Hängung der Exponate beherzigt und nutzt diese Qualität, ist aussagekräftig und mit Feingefühl getroffen. Beeindruckt von der französischen Kunst der Nachkriegszeit und Plastiken Picassos ist Oberhubers frühes Schaffen schon in Innsbruck in den 40-er Jahren auffällig. Vor allem da er Prinzipien der informellen Malerei auf die Plastik überträgt, also traditionelle Genres und ihre Grenzen nicht beachtet. Das frühe Werk bleibt lange unverstanden und geht daher großteils verloren. Gerade als das Informelle en vogue ist, wendet er sich von diesem abrupt ab. Das Entsetzen über die eigene Routine treibt ihn dazu, sich dem Gegenteiligem, dem Figurativem, zu widmen – und an seinem Manifest „Die permanente Veränderung“ zu arbeiten, das er kontinuierlich erweitert. Mitte der 50-er Jahre fängt er die losgelassene Linie wieder ein, die Kontur bleibt elementar für sein weiteres Werk. Die Abscheu vor der Wiederholung lässt ihn den Stilpluralismus in der Theorie wie in der Praxis zum Prinzip deklarieren. Er passiert aktuelle Tendenzen der Kunstgeschichte, malt wie Willi Baumeister, wie Oskar Schlemmer, Jasper Jones oder Ellsworth Kelly, mühelos und scheinbar ohne jede Anstrengung, dabei voller Respekt – und gekonnt. Kein Wunder, dass er in den 90-er Jahren der Fälschung von Beuys’ „Wiener Block“ verdächtigt wird. Vor allem aber zeichnet er wie Oberhuber, unverkennbar und bis heute. Seine Porträts „Ich als Kind“ (v.a. 1964 und 1965) sind von bewegendem Feinsinn und Ausdruck. Das Motiv ist durchaus bezeichnend, denn die absolut unbeeinträchtigte Freude am Werk, die Oberhuber bis heute nicht verlassen hat, ist einer kindlichen Begeisterung sehr nahe. Mitte der 60er Jahre malt er (inspiriert durch seine zahnenden Kinder und eigene Zahnschmerzen) „Zahnbilder“ in den Farben der Popp Art, aber in fast abstrakten Formen, nur anhand der Linienführung lässt sich der Künstler identifizieren. Oberhuber liebt das Erforschen und Experimentieren, als welches auch die diversen Manieren und Stile, die er probierte, zu verstehen sind. Seine Vorgangsweise ist so unkonventionell wie seine Themen. Das Material ist oft die Anregung für die Bilderfindung, zahlreiche Assemblagen zeugen von Humor und Einfallskraft. Für die Biennale in Venedig 1972 stellt er auf großformatigem Tuch Geschirrtücher dar (das typische Gittermuster hatte ihn an Mondrian erinnert). 1973 schafft er ein großes Tuch „Für Kinder“, und lässt deren Hinzufügungen mitgelten. Er betrachtet Buchstaben und vor allem Zahlen wie Formen und verwendet sie ab den 50-er Jahren exklusiv und rein formal für seine „Zahlenbilder“. Zeichnungen und Malereien der 80-er Jahre zeigen eine sehr freie und individualisierte, oft farbenfrohe Mal- und Zeichenweise, auf Papier und Tuch. Er beginnt aus Karton, Papier, gefundenen Gegenständen und Farbe Skulpturen zu fertigen, die manchmal wie Architekturmodelle anmuten, phantasievolle räumliche Collagen, die er gern mit literarischen und ironischen Titeln versieht. Oberhuber bekennt sich auch politisch. 1985 verantwortet er eine Plakatkampagne gegen Waldheims Präsidentschaftskandidatur. Im selben Jahr inszeniert er die Ausstellung „Die Verlorenen Österreicher 1918-1938“ an der Hochschule und gibt das Buch „Vertreibung des Geistigen aus Österreich“ heraus. Der Nationalsozialismus wird angeklagt, doch Österreich als beteiligtes Land nicht entschuldigt. Sein politisches Engagement und seine Tätigkeit als Rektor unterbrechen seinen Schaffensdrang nicht. Er arbeitet unermüdlich und bleibt gänzlich unberührt von jedem Pathos oder sonst so typisch österreichischem Katholizismus (wie z.B. bei den Aktionisten so prägend). Leider reißt die Werkschau im 21er Haus jäh ab, als wäre das Oeuvre Oberhubers abgeschlossen. Zwei Kartonschachtel–Collagen von 2012, die „Ziegen und Schafe“ von 2009 und das nicht eigenhändige, sondern nach seiner Entwurfszeichnung ausgeführte Gemälde der Vögel von 2016 sind die jüngsten Bespiele. Sie erscheinen wie Nachzügler, denn die übrigen Exponate der umfangreichen Schau sind zur Gänze vor 2007 entstanden. Dabei ist Oberhuber auch heute tagtäglich tätig. In diversen Ausstellungen in den letzten Jahren konnte man aktuellere Werke sehen, von puristischem und elementarem Formenvokabular, dabei leicht und witzig. Kraft und Authentizität sind dabei unleugbare Qualitäten. Wie spannend das wirklich gegenwärtige Werk sein mag, lässt sich in dieser Ausstellung nur erahnen.

Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Oswald Oberhuber
09.03 - 26.06.2016

Belvedere 21
1030 Wien, Schweizergarten/Arsenal-Straße 1
Tel: +43 1 795 57-0
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere21.at
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h, Mi, Fr bis 21 h


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