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Christopher Roth - Blow Out Featuring Ver(uschk)a: Zeitgespiele und Gespielinnen

Mit seinem Terroristen-Western „Baader“ wurde Christopher Roth 2002 auch außerhalb des Betriebssystems Kunst bekannt. Jetzt zeigt er in der Galerie Esther Schipper seine Ausstellung „BLOW OUT featuring Ver(usch)ka“. Und überzeugt nicht. „Blow out“ ist ein Thriller von Brian De Palma aus dem Jahre 1981. Gemeinsam mit dem Kultfilm „Blow up“ von Michelangelo Antonioni, 1966, hat dieser Film zweierlei: Auch bei ihm geht es um einen nicht erkannten Mord und das Geräusch des Windes spielt hier wie da eine wichtige Rolle. In seiner Ausstellung „BLOW OUT featuring Ver(usch)ka“ sind Christopher Roth trotzdem ganz andere Referenzen wichtig, weniger mainstreamige nämlich. Betreten wir die Galerie Esther Schipper, dann fallen zunächst monochrom hellgrüne, an der Wand hängende Flächen ins Auge. Auf dem ersten Blick erinnern sie an Fenster und runde Löcher, viel mehr erschließt sich dem Besucher zunächst nicht, auch wenn ihre Titel, bestehend aus Breiten- und Höhengraden, präzise eine zweite Verortung andeuten. Also gehen wir in den anderen, großen Raum der Galerie, dort nämlich ist der Film zu sehen, der der Ausstellung den Titel gibt: „Blow Out (The Film), 2016. Der 10 Minuten lange Film spielt vor allem in dem Gebäude „La Cupola“ an der Küste Sardiniens, das der italienische Architekt Dana Blini Anfang der 1970er Jahre für den Regisseur Michelangelo Antonioni gebaut hat. Das kuppelförmige Gebäude sollte dem Regisseur und seiner damaligen Geliebten Monica Vitti als – wenn MANN so will – „Liebesnest“ dienen, eine aufwendig installierte, die „weiblichen Reize“ Vittis betonenden Treppe etwa war ein zentraler Moment dieser Architektur. Doch es kann anders: Antonioni und Vitti trennten sich vor Fertigstellung des Hauses - schon in dieser Episode erweist sich Zeit als eine unzuverlässige Gespielin. Der Film dann zeigt Vitti bei einem Shooting für ein Interview aus den 1960er Jahren, in anderen Einstellungen läuft eine junge Schauspielerin, etwa in damaligen Alter von Vitti, durch das „La Cupola“ des 20. Jahrhunderts, steigt z. B. besagte Treppe hinauf. Last but not least tritt Veruschka Lehndorff hier in drei verschiedenen Weisen und Zeitstellen auf. Einmal ist eine ihrer legendären Szenen aus „Blow up“ in den Film geschnitten, dann ist sie, natürlich deutlich gealtert, anno 2015 zu sehen, in einem futuristischen Kostüm in einer technoiden Kammer, in der ein stark verkleinerter 3-D-Scan von ihr hergestellt werden soll. Dieser wiederum taucht dann nach seiner Fertigstellung im Inneren von „La Cupola“ auf, z.B. in einem Regal stehend. Dieses Netz von Zeitlichkeit verwirrenden Referenzen wird durch einige Zwischentitel noch unterstrichen: „Dear Antonioni, when do we stop to believe in the future?“, ist da u.a. zu lesen, später, gleich zweimal, das paradoxe, „back to future“. Zum Einen spielt Roth (als belesener Zeitgenosse) mit „Dear Antonioni“ brav an eine Wendung von Roland Barthes an, zum Anderen deuten die Sentenzen hin auf das Problem von “zeitlichen Verschiebungen“ (Pressetext). Klarerweise wird daher auch Frederic Jameson in diesen Zwischentiteln zitiert, ein „Chefdenker“ der Postmoderne also. Im Laufe des Films, der auf einen linear sich entwickelnden Handlungsstrang verzichtet, werden die Öffnungen des Gebäudes, seine Fenster etwa, immer wieder digital bearbeitet und mit grüner Farbe ausgefüllt. Die grünen Flächen, die eingangs im ersten Raum ins Auge fielen, haben hier, jetzt ist es offensichtlich, ihren Ursprung. Gefilmter Raum und der konkrete des Ausstellungsraumes werden so miteinander verflochten. Nicht nur Zeiten also verlieren in „Blow out“ ihre getrennte Qualität, auch Räume verschmelzen so tendenziell. Postmoderne Zeitvorstellung vereint mit der Idee von Räumlichkeit in Zeiten der Globalisierung – so etwa ließe sich diese Gemengelage hier interpretieren. Zurück im ersten Raum entdeckt der Besucher dann auch noch einen Roman, der zum Lesen bereit liegt. Es handelt sich um „Blow Out (The Novel)“, 2016, in dem Roth einen weitere mögliche Bedeutungsebene von „Blow Out“ thematisiert, nämlich ein durch die Katastrophe eines desaströsen blow out hervorgerufenes zukünftiges Leben ohne Elektrizität. Spätestens hier aber erweist sich die Ausstellung als ein zwar intelligentes und wissensreiches, hübsch vernetztes Konstrukt, aber letztlich doch als eines, das arg referenzlastig daherkommt und insgesamt kaum mehr ist, als ein Konglomerat mehr oder weniger philosophischer Gedanken.
Mehr Texte von Raimar Stange

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Christopher Roth - Blow Out Featuring Ver(uschk)a
23.01 - 27.02.2016

Esther Schipper
10785 Berlin, Potsdamer Straße 81E
Tel: +49 30 374 433 133, Fax: +49 30 374 433 134
Email: office@estherschipper.com
http://www.estherschipper.com
Öffnungszeiten: Di-Sa 11-18 h


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