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Joannis Avramidis 1922 - 2016

„Ich bin Hellene“, ist ein Bekenntnis zur eigenen Herkunft, das man von Joannis Avramidis gerne zitiert und neben der griechischen Frühklassik, war es lediglich die Körperauffassung von Piero della Francesca, die der Künstler als Vorbild hat gelten lassen. Avramidis steht für sich, wie seine Skulpturen für sich stehen und in sich ruhen. Diese Plastiken sind nie Jedermann sondern stets Mensch, Körper in seiner absoluten, vollkommenen Form. Die Gestalt ist exemplarisch, der Inbegriff einer Person, von der jede individuelle Persönlichkeit nur eine Abwandlung bedeuten kann, nicht im Hier und Jetzt, sondern immer und ewig. Es ginge immer darum die richtige Formel zu finden, erzählte der Künstler vor einigen Jahren in seinem Prateratelier inmitten von unzähligen Arbeiten in den unterschiedlichsten Phase ihres Herstellungsprozesses, „ist die Formel erst gefunden kann man alles machen“. Blieb die Figur nicht im Singular, so wurde sie im Plural zu Tempelwänden gefügt, zu Säulen gestapelt oder gruppierte sich zu einer Polis, wie sie vielfach im urbanen Raum international Aufstellung fanden. Polis war für den Künstler der Knotenpunkt einer Gesellschaft und des modernen städtischen Lebens. Zeichnen, das war der eigentliche schöpferische Akt, Les- und Überprüfbarkeit der Figuren obersten Anliegen. Waren die Koordinaten von Körper, Maß und Proportion erst durch ein spärliches Lineament definiert, erforderte der Rest Genauigkeit und handwerkliches Geschick. Dieses Œuvre besticht durch die Kompromisslosigkeit ihres Schöpfers, der sich durch nichts und niemanden beeinflussen hat lassen, nicht einmal durch die eigene Geschichte. „Ich kann in meiner Welt keine Bezüglichkeiten finden, auch keine Auswirkungen auf das bestimmte Schicksal, das ich hatte. Zu sagen aber, dass das Schicksal keinen Sinn an sich hätte, wäre vermessen. Es müsste schon unterschwellig seine Bedeutung gehabt haben.“ Doch hatte es vielleicht unterschwellig seine Bedeutung, dass einer, der in den ersten beiden Jahrzehnten seines Lebens ein vom politischen Geschehen ein Getriebener war, ein umfassendes Lebenswerk schafft, das vollkommen in sich ruht. Joannis Avramidis, 1922 als Sohn griechischer Eltern im georgischen Batum zur Welt gekommen, war 17 Jahre und Mitten in seiner Ausbildung an der Kunstschule seiner Geburtsstadt, als sein Vater vom stalinistischen Regime in Haft genommen wird und dort umkommt. Die Mutter flieht mit den Kindern zurück nach Griechenland, zuerst Athen, später Mazedonien, der Versuch des Sohnes, das Studium fortzusetzen scheitert. Mit 21 wird Avramidis von den Deutschen, die in der Zwischenzeit die neue Heimat besetzt haben, zwangsverpflichtet und gelangt 1943 als Fremdarbeiter nach Wien und bleibt. 1945 wird er an der Malereiklasse von Robin Christian Andersen aufgenommen, ein Kopf aus einem im Nachkriegsschutt gefundenen Sandstein überzeugt Fritz Wotruba, den jungen Mann zu fördern. Bildhauerei studiert hat Avramidis im Gegensatz zu seiner 2013 verstorbenen Frau Annemarie nie. Der Rest, die Professuren in Hamburg und Wien, die vielen Ausstellungen und Beteiligungen, darunter zwei documenten und eine Biennale von Venedig, die zahlreichen Werke im öffentlichen Raum, all die Preise und Auszeichnungen, zuletzt der Jerg Ratgeb-Preis „für Freiheit der Kunst und für Gewaltlosigkeit im Kampf um mehr Menschlichkeit“, gehört zur Geschichte eines reichen Künstlerlebens. „Das Zeitlose hat immer seine Berechtigung und ist immer auch aktuell... was aber seine Berechtigung nur in der Aktualität sucht, erschöpft sich darin und bleibt wertlos“, hat es der große Bildhauer vor vielen Jahren bereits formuliert. Joannis Avramidis, der in der Nacht zum Samstag mit 93 Jahren gestorben ist, wird bleiben.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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