Werbung
,

Fondazione Prada

What is a cultural institution for? – Gute Frage, wenn man derartiges plant. Die Antwort, die Miuccia Prada und Patrizio Bertelli darauf geben, ist seit Mai 2015 zu besuchen und erste Ausstellungen sind zu besichtigen. Seit der Gründung 1993 und nach über 70 Einzelausstellungen mit Künstlern wie Walter De Maria, Anish Kapoor, Marc Quinn, Carsten Höller, Francesco Vezzoli bzw. Gruppenausstellungen in Ca’ Corner, permanenten Projekten, zahlreichen cinematografischen Formaten, internationalen Konferenzen bzw. philosophischen Symposien innerhalb von 20 Jahren in Mailand und Venedig erfand sich die Fondazione Prada neu, nämlich mit einem weitläufigen Gebäudekomplex und permanentem Programm. Der Standort Largo Isarco 2 im Süden Mailands muss sich erst einprägen, die Umgebung gähnt etwas und kann Belebung durchaus vertragen. Dann aber, angekommen, eröffnet sich das vielgestaltige neue Areal. Stararchitekt Rem Koolhaas / OMA behielt die bauliche Gliederung der ehemaligen Destillerie aus dem Jahr 1910 prinzipiell bei und unterstrich einzelne markante Formen – etwa das vergoldete vierstöckige Haunted House. Gleich vorweg: Es beinhaltet als Dauerinstallation insgesamt 12 Werke von Louise Bourgeois (2 Installationen) und Robert Gober. Direkt beim Geländeeingang bildet eine langgestreckte Halle den Trakt Nord. Die kleinräumigen „Suiten“ im Trakt Sud und auch die Cisterna, ein tiefgeschossiger Bau, der im Hof quer dazwischen steht, sie alle gehören zur alten Bausubstanz und wurden für Ausstellungszwecke adaptiert. Drei neu konzipierte Baukörper ergänzen das Repertoire: Das Podium, eine flächenmäßig respektable, zweiteilige Ausstellungshalle, das Cinema und der unregelmäßig-geschossige Torre – wobei die beiden letztgenannten noch nicht fertig gestellt sind. Bzw. doch, partiell, denn Cinema beherbergt im Untergeschoß – Cinema -1 – ebenfalls bereits eine Dauerinstallation: Thomas Demands Processo Grottesco, eine akribische Dokumentation von Grotto (2006), der computergesteuerten 3D-Nachbildung der Stalagtiten und Stalagmiten einer Höhle auf Mallorca - aus 30 Tonnen grauem Karton und 900.000 geschichteten Teilen. Als Ausgangsmotiv diente eine Postkarte! Und natürlich wurde das Kunstgebilde wieder fotografisch festgehalten. Sie nennen es „grotesker Prozess“. Hier ist auch der dringende Einschub angebracht, dass die Fondazione Prada über 30 exzellente Druckwerke zu vielen ihrer Aktivitäten herausgebracht hat, so auch zu diesem Projekt von Thomas Demand. Was zum Thema Biblioteca überleitet. Diese ist links neben dem Eingang in die Fondazione der erste Bau und ist kombiniert mit der Accademia dei Bambini, in der es schon laufend Angebote gibt. - Spontane Sympathie weckt das direkt anschließende Snack-Café, die Bar Luce, deren Einrichtung im Stil der 1950er/1960er Jahre von Wes Anderson (zuletzt: The Grand Budapest Hotel) clever und mit Witz designt wurde. Noch bis 1. Mai 2016 ist im Bereich Sud die Ausstellung An Introduction zu sehen. Hier wird zwischen der Sammlerin Miuccia Prada und dem seit der Gründung der Fondazione Prada als künstlerischer und wissenschaftlicher Leiter involvierten Germano Celant, der sich schon 1967 mit der Begriffsbildung der Arte Povera in die Kunstgeschichte eingeschrieben hat, eine Art Dialog inszeniert. Man kann mit den Beständen der Sammlung wuchern und durchaus einen breiten Bogen spannen von den 1950er bis 1980er Jahre, dann auch wieder nach 2000 ansetzend. Da kommen Yves Klein und Barnett Newmann, Donald Judd und Piero Manzoni ins Gespräch. Edward & Nancy Kienholz bespielen im wahren Sinn des Wortes einen eigenen Raum mit ihren Objekten, die Richard Wagners Musik zitieren ebenso wie Natalie Djurberg mit Ihrer Installation The Potato (2008). In gewisser Weise unvermittelt, aber auf seine Weise faszinierend wird man in Raum 6 mit einem Studiolo konfrontiert: Ein mächtiger intarsierter U-förmiger Schrank, ca. 1480 in Norditalien gefertigt, dominiert unangefochten den Raum. In seinen Nischen locken zwei Arbeiten von Joseph Cornell (vgl. derzeit Ausstellung im KHM Wien) und eine Holzkonstruktion von Kurt Schwitters zur näheren Betrachtung. Die zweifellos kostbarsten Stücke im Raum, vier Tapisserien der Werkstatt Nicola Karcher nach Vorlagen von Giulio Romano (ca. 1560), schmücken die Wände, geraten aber schmählich ins Abseits. Offenbar um starke, durchaus kontrastierende Eindrücke zwischen feingliedrig und plakativ, introvertiert und expressiv bemüht öffnet sich der nächste Raum wieder gänzlich. Allerdings wirken die Bilder durch die dichte Hängung – das Wort Petersburg echot von ferne – als zusammengepferchte Ansammlung, eher als (protziges?) Sammelsurium, denn als Sammlung. Und das mit Arbeiten von Richter, Förg, Fontana, Vedova, Castellani, Boetti, Lichtenstein, Koons, Stella, Vasarely – um nur die bekanntesten Namen zu droppen. Zuletzt betritt man bereits gesondertes Areal, das Deposito, die an Kubatur größte Räumlichkeit der gesamten Anlage. Aufatmen in dieser Weite und durchaus Schmunzeln kann man schließlich angesichts der Installation von John Baldessari: Die Giacometti Variationen von 2010 ziehen einige Register des künstlerischen Schaffens – Reverenz erweisen an/Anleihe nehmen bei anderen Künstlern, das Werk überdimensionieren, serielles Arbeiten, Variation durch eigene Attribute, Modezitate, Abstraktes und Ironie als Ausdrucksform. So gesehen ist An Introduction eine komprimierte Schau, das der selbstgewählten Anforderung gerecht werden will, „jene Wege zu reflektieren, mit denen die Menschheit ihre Ideen in spezifische Disziplinen gelenkt und zu Kulturgütern verwandelt hat – in Form von Kunst, Wissenschaft, Philosophie, Literatur, Musik und Film“. Und diese bilden eben nicht ein geschlossenes, einheitliches System, sondern sind vielgestaltig und herausfordernd. Aktuelle Ausstellungen in der Fondazione Prada Milano Trittico (Cisterna; bis 10. 1. 2016) Künstler: Damien Hirst, Maurizio Cattelan, Pino Pascali, Tom Friedman, Paola Pivi Gianni Piacentino (Podium; bis 10. 1. 2016) Recto Verso (Nord; bis 14. 2. 2016) An Introduction (Sud; bis 1. 5. 2016) Fondazione Prada Largo Isarco 2 20139 Milano +39 0256662612 www.fondazioneprada.org
Mehr Texte von Aurelia Jurtschitsch

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Petersburg
Vitus Weh | 14.12.2015 11:52 | antworten
Auch wenn der Begriff "Petersburger Hängung" mittlerweile von vielen verwendet wird, ist er irreführend und falsch. Laut Walter Grasskamp geht der Ausdruck auf Martin Kippenberger zurück und hatte eine dadaistische Intention. Seitdem zirkuliert er in Kuratoren- und Kritikerkreisen, die den Begriff mit St. Petersburg assoziieren. Wenn man aber schon über eine Ausstellung in Italien schreibt, die ein Studiolo als zentrales Prunkstück zeigt, sollte man auch die dichte "barocke Hängung" korrekterweise den originalen Vorbildern, beispielsweise dem Palazzo Pitti in Florenz, zugestehen.

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: