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Olafur Eliasson - Baroque Baroque: Ein wahrlich barockes Vergnügen

„Der Raum ist eine notwendige Vorstellung, a priori, die allen äußeren Anschauungen zum Grunde liegt.“ ( G.W. Leibniz, 1781) In der Ausstellung baroque baroque wird nicht nur die Bedeutung einer Epoche (von etwa 1575 bis 1770) im Sinne seiner Namensgebung : baroque, zuerst belegt 1701 im Sinne von „bizarr“ , deutlich, sondern die Welt im Ganzen. Der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson (* 1967), der ein Atelier in Berlin unterhält, inszeniert nämlich seine Werke im barocken Winterpalais auf eine Art, die dieses Zeitalter mehr oder weniger buchstäblich reflektieren. Zum einen, indem er eine meterhohe Spiegelwand fensterseitig durch die ganze Zimmerflucht zieht, zum anderen indem der die vorhandene Architektur in neue Lichter taucht, durch Kaleidoskope erblicken lässt oder einfach elaborierte Scheinwerfer auf das vorhandene Interieur richtet (Double light ventilator mobile, 2003). Obzwar es sich hauptsächlich um Arbeiten aus den letzten beiden Jahrzehnten (aus den Sammlungen der TBA21, Wien und der Vergez Collection, Buenos Aires) handelt, wird vom Kurator (Mario Codognato) eine so raffinierte Übereinstimmung mit den barocken Räumen erreicht, dass der Eindruck entsteht, die Interventionen seien dafür eigens geschaffen worden. Schon im Eingang des Palais verbündet sich Eliasson mittels Welleneffektmaschine (Die organische und kristalline Beschreibung,1996) mit den Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656 1723) und Johann Lucas von Hildebrandt (weitere Planung ab1702). Das auf den Stuck im Vestibül projizierte, wellenförmige Geflirr an gelben und blauen Streifen, überlagert optisch das barocke architektonische Gestaltungsprinzip, und erweitert das damalige Bestreben nach der vollständigen Auflösung des Raumes, zur Schaffung der Illusion unendlicher Räume, um die moderne Auffassung der Wellennatur der Materie. - Allein, dass auch noch die Luft mittels Windmaschine (The windy corner, 1997) in Wellen versetzt wird, erzeugt in der kühlen Jahreszeit, in der ohnehin zugig wirkenden Hauseinfahrt, keinen besonders angenehmen Effekt. Dieses Prinzip der Überlagerung kommt auch Stiegenaufgang, der in gleissendes, gelbes Licht getaucht ist, zur Geltung (Yellow corridor,1997). Hier kommt jene die Malerei des Barocks kennzeichnende Betonung von Licht und Schatten, als raffinierte Manipulation der Wahrnehmung neu zum Ausdruck. Das monochrome gelbe Licht erzeugt nämlich eine verstärkte Tiefenwirkung, vergleichbar mit einem kontrastreichen Schwarz-Weiß Bild. Auch die Besucher sehen im gelben Licht schwarz-weiss aus und das Gold der Kandelaber wird zum schwarzgrauen Silber verfremdet. Nun treten die Atlanten und der ruhende Herkules vom Bildhauer Giovanni Giuliani (1664-1744) noch plastischer und heroischer hervor und alles wird noch entrückter als ohnehin schon zur Vergöttlichung des Hausherrn, beabsichtigt. Prinz Eugen von Savoyen (1663 - 1736), würde seinen Gefallen daran finden,- und es wäre schön, könnte diese Installation auf Dauer bleiben (- auch um die typisch österreichisch, viel zu weiss geratene Restaurierung grandios zu übertünchen). Diese überzeitliche Allianz mit den Künstlern des Barock zieht sich durch alle Räume, sei es mittels raumgreifender Installationen oder indem einzelne Werke so platziert sind, als seien es Stücke aus der Wunderkammer,- jener Errungenschaft der Spätrenaissance und des Barock die aus den früheren Raritäten- und Kuriositätenkabinetten hervorgingen. In unendliche Spieglungen Einblick gewährende, schwarz beklebte Spiegelkugeln, (Geometric lines for horizons, 2014) gesellen sich zu riesigen bemalten Standgloben, der Himmels- und der Erdglobus von Vincenzo Coronelli (16888/1693) aus dem Stift Vorau. Auch die meterlangen Kaleidoskope ( Your Hard planet, 2011) mit 3-, 4-, 6-eckigen und rautenförmigen Öffnungen fungieren als Panoptika der Jetztzeit, die in die Vergangenheit führen. Sie lassen nicht nur den Raum in die Unendlichkeit gespiegelt Fragmente erleben, sondern reflektieren darüber hinaus die Leibniz’sche Philosophie von der Mannigfaltigkeit des Raumes. Im Schlachtenbildersaal erzeugt ein leicht schräg auf der Spiegelwand montierter, schwebender goldener Halbreifen (ø 5m) den imaginären Kreis des Horizontes in der nunmehr 360° Landschaftsillusion (Wishes versus wonders, 2015). Diese üppig grünen, mitteleuropäischen Landschaften von Jacques-Ignace Parrocel (ca. 1711) kontrastieren mit den in ihrer Weite und Kargheit nahezu abstrakten, nur in den Strukturen variierenden, isländischen 40 Landschaftsaufnahmen von Eliasson (The horizon series, 2002) im Nebenraum. Auch die übrigen Objekte wie auch die von Hometool- Stäbchen inspirierte, aus mehreren Polyedern bestehende Skulptur ( Power Tower, 2005) und Leuchtkörper des Künstlers zeugen von barocken wissenschaftlichen Auffassungen, die durchaus mit avancierten heutigen Theorien konvergieren. Etwa die mit gelben und blauen Plexi-Glas-Dreiecken in chiralen Windungen angeordneten, gefüllte Kugel-Lampe (New Berlin sphere, 2014) . Sie bezeugt die Huygens’sche Korpuskel-Theorie des Lichts (Traité de la lumière, 1690) als Knoten im Äther. Wie sie hier materialisiert ist, nämlich als kleinste dreieckige Facetten, die sich spiralförmig im kugelförmigen Raum winden, trifft die Leibnitzsche Raumauffassung genauso zu, wie die Anschauung des Lichts als elektromagnetische Verwirbelung des 5-dimensionalen Raumes zu. Diese Dimension der Mannigfaltigkeit des Raumes tritt auch in anderen Werken in Erscheinung, nämlich im Five-fold cube ( 2000) und Five-fold Tunnel (2000). Beide geometrischen Objekte wurden von Eliasson in Zusammenarbeit mit dem erst kürzlich verstorbenen, isländischen Architekten und anerkannten Geometer Einar Thorsteinn (1942– 2015) entwickelt. Der mehrfach in verschiedenen Materialen produzierte fünffach ineinander gesteckte Würfel erscheint hier aus Holz als 3-dimensionales Pendant der kubischen Parkettierung des Bodens - obzwar die Tafelparkettböden, durchwegs aus dem 19. Jahrhundert sind. Der begehbare Tunnel (Fivefold tunnel, 2000) wurde aus dem 5-dimensionalen Gitter, - den Ammann-Linien, goldenen Parallelen in fünf Richtungen, - gebogen entlang des Spiegels angebracht. Verdoppelt verliert er zwar jene ästhetische Wirkung, die er in der Ausstellung in Graz (2000) vor einem goldenen Hintergrund erzielt hatte, hier lässt er aber die Assoziationen zu, dass in der 5. Dimension alles verdoppelt ist. * Einerlei ob in der durch die ganze Ausstellung gezogenen Spiegelwand, als bunte Mehrfachschatten an die Wand projiziert (Your uncertain shadow (colour,) 2010) oder tausendfach fragmentiert durch die Kaleidoskope widergespiegelt, die Intention des Künstlers, dass sich die BesucherInnen selbst als AkteurInnen, in sinnlich erfahrbaren und aktiv erlebbaren barocken Wahrnehmungsszenarien, inklusive Akrobatik für die Sehnerven, wahrnehmen, wird zahlreich und über alle Altersgrenzen hinweg, angenommen. Die damaligen Zeitgenossen hätten sicher auch Ihre Freude daran gehabt. Scheint doch mit dieser Ausstellung die zeitliche Differenz von mehr als 300 Jahren zu verschwinden, indem sich die Bedeutung der Werke Olafur Eliassons durch diese Selbstspiegelung mit dem Barock auf eine grundlegende Weise erschließt, wie sie im neutralen Rahmen einer white-cube Installation (vgl. Ausstellung in Stockholm**) kaum so unmittelbar rezipierbar wäre. __ *) vgl. R. Quehenberger, A newly discovered Heptahedron named Epitahedron, Symmetry: Culture and Science,Vol. 25, (2014), No. 3, pp. 177-192 **) Olafur Eliasson: Verklighetsmaskiner / Reality machines, Moderna Museet and ArkDes, Stockholm 3.Oktober 2015 bis17. Januar 2016
Mehr Texte von Renate Quehenberger

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Olafur Eliasson - Baroque Baroque
21.11.2015 - 06.03.2016

Winterpalais
1010 Wien, Himmelpfortgasse 8
Tel: +43 1 795 57 134
Email: public@belvedere.at
http://www.belvedere.at/de/schloss-und-museum/winterpalais
Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 18 Uhr


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