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Individual Stories. Sammeln als Porträt und Methodologie: Überraschende Gemeinsamkeiten

„Sammeln als Porträt und Methodologie“ lautet der Untertitel der Ausstellung „Individual Stories“, die derzeit in der Kunsthalle Wien zu sehen ist. Die intelligente Show gehört im Moment zweifelsohne zu den spannendsten Ausstellungen der Stadt.

Sicherlich kann man über die NOTwendigkeit des Konzeptes der Ausstellung „Individuell Stories“ streiten, Spaß aber macht diese fulminante Ausstellung allemal, zumal sie interessante Entdeckungen birgt. Unverblümt setzten die „Individuell Stories“ auf das Prinzip der Akkumulation von Objekten – und dennoch verweigern sie eine warenförmige Anbiederung der Artefakte, wie sie heute z. B. in allzu vielen Galerien üblich ist. Das Sammeln als künstlerische und überaus reflektierte Tätigkeit steht nämlich im Mittelpunkt dieser vielschichtigen Präsentation „persönlicher Geschichten“, die u.a. KünstlerInnen wie Saadane Affif, Barbara Bloom, Thomas Bayerle und Maurizio Nannucci und ihre unterschiedlichen privaten Sammlungen vorstellt.

Eine der besagten Entdeckungen ist Johannes Wohnseifers Installation „More In Common Than A Given Name“, 2012 – 2015. Der Kölner Künstler sammelte Pressefotografien und Artikel zu dem US-amerikanischen Rennfahrer Peter Revson und zeigt diese gerahmt an einer Wand der Kunsthalle. Wohnseifer selbst ist begeisterter Fan des Formel 1-Rennsports. Insofern ist dieser Teil seiner Installation quasi ein „Porträt“ des Künstlers. Dieses Material nun kombiniert Wohnseifer mit Grafik, Katalogen und Büchern von Peter Brüning, die in Vitrinen präsentiert werden. Der deutsche Maler teilt mit Revson den Vornamen, mit Wohnseifer die Profession. Ob es darüber hinaus weitere „methodologische“ Zusammenhänge gibt, wie der Titel der Arbeit nahelegt, dieses bleibt der Assoziationskraft des Betrachters überlassen.

Überraschend auch die gezeigte Sammlung von Hubert Scheibl: Der österreichische Maler zeigt wissenschaftliche, stark vergrößerte Modelle von Pflanzen und Bakterien. Was man von ihm als Maler kaum erwartet hätte ist bei seinem konzeptionell immer wieder zum Thema Natur arbeitenden Künstlerkollegen Olaf Nicolai fast schon eine Selbstverständlichkeit, sammelt letzterer doch ebenfalls diese Modelle (sie sind in der Ausstellung allerdings nicht zu sehen). Für Hubert Scheibl sind die den Modellen innewohnenden abstrakten Strukturen interessant, die sich dann auch seinen Gemälden wiederfinden lassen – Sammeln als Recherche von formalen Elementen tritt hier also auf den Masterplan der Ausstellung.

Hans-Peter Feldmann schließlich hat in einer Ecke des Ausstellungsraumes von ihm gesammelte Frauenschuhe auf den Boden gestellt. In einer kunterbunten Reihe werden die hochhackigen – wenn MANN so will: sexy-modischen – Fußbekleidungen weniger zu begehrten Fetischobjekten, als zu minimalistischen Pop-Kunst-Artefakten. Die Redundanz der Reihung nämlich lässt die Attraktivität der sinnlos nebeneinander stehenden Frauenschuhe gleichsam inflationieren. Das Sammeln, so schrieb schon Walter Benjamin, „löst den Gegenstand aus allen ursprünglichen Funktionen um sie in die denkbar größte Beziehung zu seinesgleichen treten“ zu lassen. Genau in diesem Sinne beziehen sich Feldmanns Schuhe vor allem auf ihre Nachbarn, auf ihre konkreten Vor- und Nachgänger, kaum aber auf die Begierden des Betrachters.

Die Ausstellung führt unterschiedliche Modi des Sammelns und des künstlerischen Umgangs mit diesem vor. Genau dieses macht sie zu einer spannenden Angelegenheit, die ungewohnte Blicke auf artistische Produktion ermöglicht.

Mehr Texte von Raimar Stange

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Individual Stories. Sammeln als Porträt und Methodologie
26.06 - 11.10.2015

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


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