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GegenKunst. NS-Kunst - Sammeln nach '45: Was tun mit Unkunst?

Das Jahr bietet derzeit keinen unmittelbaren Anlass mehr, sich in die übliche Schleife des Gedenkens zu begeben. Und dennoch zwingt die Münchner Pinakothek der Moderne dazu. Im Obergeschoss des 2002 eröffneten Gebäudes, das Stephan Braunfels in Form klassisch angereicherter Moderne-Rezeption neutral-geometrisch konzipierte, treten mit Josef Thorak (1889-1952) und Adolf Ziegler (1892-1959) zwei Protagonisten der so genannten Nazi-Kunst vors Auge. "GegenKunst" heißt in verkürzter Fassung diese von Oliver Kase kuratierte Schau, die bis in den Jänner des nächsten Jahres laufen wird. Sie kontrastiert zwei exemplarische "Äußerungen" jener Zeit und provoziert damit eine erneute und sinnvolle Debatte über den Stellenwert von Staatskunst aus Diktaturen, wenn sie denn nun schon einmal in den Depots öffentlicher Häuser schlummert. Und dort ist das menschenverachtende Zeug besser aufgehoben, als in Wohnstuben von Alt- oder Neu-Nazis oder in miefigen Vereinsheimen oder was immer man sich an klandestinen Lokalitäten von rechts außen vorstellen will. Sichern, aufbewahren, präsentieren, bearbeiten und vermitteln: Wenn die genuinen Arbeitsweisen musealer Praxis so sinnvoll wie hier auf vergiftetes Material angewendet werden, ist das nur zu begrüßen. Bereits im Jahr 2012 haben sich Sabine Brantl und Ulrich Wilmes, damals in der Selbstreflexion des Hauses der Kunst, mit dem Nazi-Erbe auseinander gesetzt und Werke aus der Zeit, darunter das jetzt gezeigte Bild von Adolf Ziegler, "Die vier Elemente", ausgestellt. Doch damals drehte sich alles um die Geschichte eines Ausstellungshauses. Hier steht die Kunst selbst auf dem Spiel. Und eine derartige Fragestellung ist sinnvoll in einer Fokussierung auf die Sache selbst zu realisieren. Was also sieht man? Im Grunde bilden lediglich zwei Nazi-Arbeiten die Ausstellung: das Elemente-Triptychon (vor 1937) des Funktionärs Ziegler, der beispielsweise Karl Schmidt-Rottluff das Malen verbot, und "Zwei Menschen" (1941), eine Monumentalplastik von Thorak. Der Inszenierung sei Dank: Wie doch Thoraks aseptisch-unbeholfener, verkrampft-chauvinistischer Arierkult trotz impertinenter Größe in seiner Instrumentalisierung offenbar wird und wie Ziegler, damals Präsident der so genannten "Reichskammer der bildenden Künste", in seiner banal-dummen Rhetorik verblasst angesichts des Triptychons "Crucifixion" von Francis Bacon (1909-1992)! Betritt man den Ausstellungsraum wird mit Blick auf diese scheinbar indiskutablen Altlasten der Unterschied zwischen Propaganda und Kunst auf den ersten Blick deutlich. Und es gilt Max Imdahls Erkenntnis: Das hier ist Unkunst, die den Menschen depersonalisiert. Das wird besonders deutlich im Vergleich zum enigmatischen Triptychon von Max Beckman ("Die Versuchung") oder dem von Bacon, in dem der Zuschauer, der im Bild dargestellt ist, nun ganz extrem als passiver Dulder von Folter hervortritt. Es ist das "Prinzip Pinakothek", das "GegenKunst" wieder einmal als gelungen zeigt: ein Saal, eine Setzung – gern auch kontrovers und selbstkritisch. Kürzlich erforschte die Neue Pinakothek ihre "Quelle von Optevoz" und verabschiedete sich von einem scheinbaren Courbet und schrieb stattdessen das Gemälde Charles Daubigny zu. Oder "El Greco Expressiv" in der Abteilung Moderne, in dem ein einziges Gemälde des barocken Fantasten aufschlussreich in den Kontext moderner Malerei gesetzt wurde. Das scheint auf den ersten Blick ein Kleinklein im musealen Einerlei zu sein. Im Gegenteil, denn es spiegelt nichts weniger als das Bewusstsein für eine notwendige Öffentlichkeit, der die eigene Sammlung kritisch präsentiert werden muss – nicht zuletzt im Sinne einer berechtigten Skepsis am hypertrophen Blockbustermarkt. Und es offenbart selbstredend auch die demokratische Verantwortung gegenüber unserer Öffentlichkeit, die – besonders im Unterschied zu Figuren wie Ziegler – Kunsthistoriker in Museen wahrnehmen müssen.
Mehr Texte von Matthias Kampmann

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GegenKunst. NS-Kunst - Sammeln nach '45
20.05.2015 - 31.01.2016

Pinakothek der Moderne
80333 München, Barer Straße 40
Tel: +49 89 23805 360
Email: info@pinakothek.de
http://www.pinakothek.de
Öffnungszeiten: Di - Mi 10.00 - 18.00, Do 10.00 - 20.00, Fr - So 10.00 - 18.00


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