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Liebes Wien, Deine Ingeborg Strobl: Wien im Blickwinkel einer Beziehung

Es werden hier feine Töne angestimmt. Von einer Hommage an die Stadt zu sprechen wäre deshalb zu großspurig. Auch fällt bald auf, dass Ingeborg Strobl zwar dokumentarische Verfahren wie Film- und Fotorecherche oder biografische Aufzeichnung anwendet, aber dennoch hauptsächlich persönlich Relevantes erzählt. Manches wird nur vorsichtig angetippt, und trotzdem ergibt sich daraus ein Geflecht kulturgeschichtlich wichtiger Momente. Dabei spürt man die Empathie, von der Ingeborg Strobls Annäherungen an ihr Wien gekennzeichnet sind. Zum Beispiel, wenn sie die MitarbeiterInnen der REMAprint Druckerei porträtiert. Das ist nicht einfach das Personal irgendeines Betriebs, der jetzt im gehypten 16. Bezirk angesiedelt ist. Nein, alle die man da antrifft, bieten ihre besondere Erfahrung an und tragen dazu bei, dass bei der Herstellung eines Druckwerks bis zum Erreichen der besten individuellen Qualität gearbeitet wird. Dass im Namen der früher im achten Bezirk ansässigen Druckerei noch Spuren ihrer Gründung aus der Gruppe REvolutionärer MArxisten, einer bedeutenden Vereinigung der undogmatischen Linken, enthalten sind, das wiederum ist das allgemein Stadtgeschichtliche; ebenso, dass Zeitschriften wie der FALTER in ihren Anfangsjahren über die Druckwalzen, des nun hochmodernen Betriebs liefen. Mit ihrer Bereitschaft genau zu beraten und auf individuelle Vorstellungen einzugehen, ist die REMA für zahlreiche KünstlerInnen sehr wichtig. Creative Industries Marktgeschrei scheint da ebenso wenig passend wie der Multi-Kulti Ausverkauf von Brunnenmarkt und Yppenplatz. Ein Film Ingeborg Strobls zeigt an Hand einiger typischer Details etwas vom »Brunnen Beisl«, genauer gesagt vom nahegelegenen »Imbisscafe Brunnenmarkt«, das bis zur Pension der Belegschaft des Lokals 2008 für manche KundInnen der REma wie auch für die Künstlerin eine gerne besuchte Anlaufstelle war. In dem kurzen Film gibt es wenig Attraktives. Stattdessen viele der industriell gefertigten Architekturversatzstücke zwischen pseudorustikal und eben: Wiener Wirtshaus. Aber das ist nun mal eine speckige Theke, eine Espressomaschine mit einer Art Marmormuster, ein Dekorationsstück wie ein transparentes Ei mit drei Blumen unter dem Glas. Dinge eben, die man toleriert, oder in die man sogar etwas hineinprojiziert, sobald Alkohol im Spiel ist. Weder ironisch, noch von Voyeurismus behaftet ist der Blick von Ingeborg Strobl. Vielmehr öffnet sie ein Tagebuch, indem auch die Normalität des ganz Alltäglichen seinen besonderen Platz hat. Ja, natürlich geht der Spaziergang auch durch ein türkisches Lokal, in dem Frau Velichka Todorova Mircheva, aus Bulgarien stammend, von früh Morgen an bedient. Auch eine Erinnerung an das souverän im Eck zwischen Margaretenstraße und Schleifmühlgasse gelegene »Freihaus« enthält die Ausstellung, an jenes Restaurant, das in seiner coolen Modernität von den 1980e Jahren an lange Knotenpunkt für viele Szenen war und etwas vom Flair und der Qualität einer Pariser Brasserie nach Wien gebracht hatte. Aber nein, Ingeborg Strobls intime Ausstellung ist keine Geschichte der Beisln. Sie führt auch ins Stadthallenbad noch vor dessen Renovierung, das für die aus dem steirischen Schladming stammende und vor Jahrzehnten nach Wien übersiedelte Künstlerin zum Alltag gehört. Sie zeigt Beispiele der Setzerei »Friedrich Brandstetter«, eine von der Künstlerin in einem Hauseingang gefundene Postkartensammlung oder – um das lokaltypische mehr in Richtung persönlich biografischer Momente zu erweitern – Bilder aus Warschau, das Strobl seit 1999 immer wieder bereist. Und: dieses seit einigen Jahren in Kooperation mit dem Wien Museum laufende Projekt besteht nicht nur aus der leicht überblickbaren Ausstellung, deren Themen man so nach und nach entdeckt. Entstanden ist auch ein Buch mit dem Charakter eines Albums. Wie das gesamte Projekt: etwas Persönliches erzählend und zugleich sich annähernd an die Stadtgeschichte und einige Orte ihrer kulturellen Produktion in einer nicht-repräsentativen Form. Es erzählt ebenso von der Kompetenz der Künstlerin, an Hand von Materialien und signifikanten Details, die allzu oft übersehen oder ausgeblendet werden, Geschichten aufzugreifen oder sie zu (re)konstruieren. Ein Projekt, das man keinesfalls übersehen sollte.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Liebes Wien, Deine Ingeborg Strobl
20.05 - 06.09.2015

Wien Museum
1040 Wien, Karlsplatz
Tel: +43 1 5058747-0, Fax: +43 1 5058747-7201
http://www.wienmuseum.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 09-18, Sa, So 10-18 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Ich erhielt das
W. Stach | 08.09.2015 03:41 | antworten
... am 7. 9.; die Ausstellung ist seit 6. 9. nicht mehr zu sehen.

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