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Horse`s Glory: … wenn die Kunst dem Pferd ins Maul schaut

Mensch und Pferd verbindet eine jahrtausendelange Geschichte: wir kennen noch den Namen der „mobilen Throne“, der Leibpferde der Kaiser, beispielsweise Bukephalos mit Alexander den Großen und Marengo mit Napoleon. Mittlerweile haben sich die Zentauren in Cyborgs verwandelt und der blecherne Partnerkörper der einstigen Amazonen und Kavaliere, trägt bestenfalls das Bild eines Pferdes im Emblem. Dem Fußvolk sind nicht einmal mehr die Pferde-Paläste (vgl. Winterreithalle im MQ) in voller Pracht, vergönnt. Die Ausstellung stellt eine visuelle Erforschung des Verhältnisses zwischen Mensch und Tier und zwischen Frau und Pferd im speziellen dar. „Was in der Medientheorie Praxis ist, nämlich die Untersuchung der Auswirkungen von menschlicher Koexistenz mit Technologien und anderen Lebewesen wurde im Falle des Pferdes noch nicht bearbeitet. Es fehlt das Vokabular darüber nachzudenken, weshalb wir erst nur schauen können,“ erklärt Elisabeth von Samsonow. Die Philosophin und Künstlerin, die selbst als Mädchen mit dem Pony zur Schule geritten ist, behandelt diesmal ihre Affinität zum Pferd als Kuratorin einer Gruppenausstellung zum Thema Pferd. In der pinacoteca22 versammelt sie allerlei Pferdeattribute, von massiven Steigbügeln über Zaumzeug, Mähnen und Pferdeschwänze und fragt danach, was neben den romantische Pferdebildern und -geschichten für heranwachsende Mädchen geblieben ist. Die in einem stillgelegten Milchwerk im Unterallgäu lebende Künstlerin Alexandra Vogt, arbeitet seit 1997 an der modellhaften Rekonstruktion des gleichermaßen archetypischen wie autobiografischen Wunschtraumes „Mädchen mit Pferd“. Exemplarisch stellt sie in der ausgestellten Fotografie ein Mädchen mit Pferd ins Wohnzimmer und setzt dabei das Thema als erotisch-unheimliches Bildrätsel plakativ traumatisch um. Dagegen generiert sich, die zentral im Ausstellungsraum thronende Queening Maschine von Toni Schmale, das in Anlehnung an eine Smotherbox, für Menschen gedachtes Zaumzeug, mit massiv geformten Steigbügeln aus Biresin auf einem Betondeckel mit rundem Kopf-Ausschnitt auf gelbem Metallgerüst, (noch) weniger unschuldig. Zweideutig erzählt Luiza Margan ihre Public Tales, Geschichten von/mit Schwänzen, formal vergleichbar mit einem Blatt aus der Enzyklopädie von Diderot und d’Alembert, anhand von beidseitig fotografierten Schwänzen der Reiterstatuen auf öffentlichen Plätzen, die sie als Bärte montiert und damit männliche Machtsymbole gleichermaßen demontiert. Dem gegenüber hängt Claudia Charlotte Linders Rappe auf schwarzem Hintergrund mit blonder Farrah Fawcett*-Mähne, das von einem Besucher sogleich als,- „ein Bild, in dem die geballte erotische Kraft der Malerin gebannt ist“, wahrgenommen wurde. Elisabeth von Samsonow selbst, steuert ein sakral anmutendes Jutebild, Merry Mähre, bei. Es ist eine ornamentale Apotheose der Stutenfrau á la Windsbraut, mit Bikini und roten Glitter-Stöckelschuhen wie Dorothy im Wizzard of Oz, umrahmt von einem Band mit der Schwanenhalskandare ihres Pferdes und stammt von ihrer göttlichen Hochzeits-Performance (hieros gamos) in der sie ihren selbstgeschnitzten blauen „Cavallo“ anstelle eines Kavaliers geheiratet hat. (Hypno Hippo Schizo Hochzeit, Freud-Museum 2011). Dieser weiblichen Selbstwahrnehmung im Frau-Pferd-Überlagerungsbild steht eine Karikatur auf den männlichen Blick, von Erwin Wurm gegenüber: Die Photographie aus der Serie mit dem Namen einer (einem Hedgefonds zum Opfer gefallenen) Wäsche-Marke, zeigt eine Frau, deren Beine in einem Strumpfhosenbein stecken, darüber quer über den Po ein schwarzer String-Tanga, “von hinten“ und auf „allen vieren“. Der nach unten gebeugte unsichtbare Kopf ist ebenso bis über die Schulter von einer Strumpfhose bedeckt. Die Frau ist „falsch aufgezäumt“ (Elisabeth von Samsonow) oder sie steckt in einem falschen Umraum, was wiederum als Kritik an einem auf typologische Verwirrung basierenden, vorherrschenden Weltbild, gelesen werden kann, welche wiederum von Elisabeth von Samsonow gekontert wird: Ihre Installation unsaddled umfasst ein aus Lindenholz geschnitztes, Satteluniversum, wobei von einem Bild der 4-dimensionalen Erde, die von elektromagnetischen Schwingungen durchzogen ist, das Zentrum der Hohlform ziert, welches gesattelt auf dem Herzchakra des Pferdes zu liegen käme. Dabei stehen unter dem Tisch, der die Holzplastik trägt, jene von ihrer göttlichen Hochzeit stammenden, weissen Satin-Peep-Toes, die auf eine weibliche Korrektur der Weltsicht zu verweisen scheinen. In einem Video zeigt Samsonow ein Interview mit einer indischen Ayurveda Ärztin, die über den pharmakologische Wirkung von Pferde- Haar, -Schweiss und -Exkrementen zu berichten weiß und ein anderes mit Andreas Hausberger, dem Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule in Wien, der von seinen weis(s)en tierischen Professoren spricht. Er berichtete im übrigen, dass die Erhaltung dieser Kunstform als kulturelle Institution in den 1920er Jahren hauptsächlich auf das Betreiben der Sezessionisten in vereinten Kräften mit dem Künstlerhaus, erfolgte. Der von den Künstlerinnen gemeinsam gestalteten MNEMOSYNE ATLAS APPENDIX TRANSHUMANE KOMPLIZENSCHAFT / Abt. Hippologie, Brautforschung Kavaleresken ergänzt die Ausstellung, in der Intention, Aby Warburgs zur Untersuchung der Funktion vorgeprägter (antiker) Ausdruckswerte dienende Bilderreihe mit Fotos und Zeitschriftenausschnitten von Kaisern, Königinnen und Mädchen mit Pferden, “Fury“-Film-Poster und Bonnie Blue Butler aus „Vom Winde verweht“, bis hin zu barbusigen „Crazy Horse“ -Reiterinnen und eigens zusammengetragenen Spielzeugpferden zu ergänzen. - Der Denk-Parkours ist eröffnet. -- *) 70ies Schauspielerin, „Charlie’s Angels“ (TV-Serie, dt. „3 Engel für Charlie“; sie überreichte H.R. Giger dessen Oskar, zu sehen im aktuellen Bio-Film DARK STAR - HR GIGERS WELT)
Mehr Texte von Renate Quehenberger

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Horse`s Glory
25 - 30.04.2015

Pinacoteca
1040 Wien, Große Neugasse 44
Email: pinacoteca22@gmail.com
http://pinacoteca22.blogspot.co.at/


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