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TEFAF 2015: Die Leistungsschau des Außergewöhnlichen

„Nightfishing“ scheint nicht nur das Motto der neuen Sektion der Tefaf zu sein, sondern auch das der Messe selbst. Man bestückt die Angel mit dem attraktivsten Köder, den man hat, und wirft sein Dunkel des Maastrichter Messezentrums aus in der Hoffnung, dass etwas anbeißt. Das funktioniert auch in diesem Jahr in einigen Bereichen wieder erstaunlich gut. In der Papier-Sektion, zu der man immer noch nur über eine seriorenunfreundliche Treppe gelangt, sah man schon zur Eröffnung zufriedene Aussteller. Sowohl Wienerroither & Kohlbacher als auch Johannes Faber hatten am Ende der Vernissage schon sechsstellig verkauft, soviel wie noch nie zu diesem Zeitpunkt. Der Fotospezialist konnte im dritten Anlauf einen Abzug der berühmten „Bewegungsstudie“ von Rudolf Koppitz an einen sehr bekannten US-amerikanischen Sammler abgeben, die Jugendstil-Händler hatten eine Gruppe chinesischer Sammler in Kauflaune am Stand. Damit hatten die Jung-Aussteller Vertreter genau jener Sammlergruppen zu Besuch, um die sich die „Königin“ immer mehr bemühen muss, da die Messekonkurrenz in London, New York und Hongkong nicht schläft und zudem mit trendigerer Ware lockt. Die zeitgenössische Kunst ist schon seit Jahren das Sorgenkind der Tefaf, dem man in diesem Jahr mit einer kuratierten Sonderschau beikommen will. „Nightfishing“, kuratiert von Sidney Picasso, versammelt sieben, zum Teil großformatige, Skulpturen von sieben Künstlern, darunter Tony Cragg, Georg Baselitz und Richard Deacon. Beim Premierenpublikum kam die Aktion sehr gut an, bei den Galerien ebenfalls; schließlich war deren Einsatz mit kolportierten 14.000 Euro Teilnahmegebühr vergleichsweise bescheiden. Das Hauptfeld der Messe bestreiten nach wie vor Alte Meister und Antiquitäten. Hier ist die Tefaf tatsächlich unumstrittene Königin. Für welchen anderen Anlass sollte sich ein Händler wie Sascha Mehringer (München) etwa die kleine Frauenbüste von Balthasar Permoser aufheben? Es handelt sich um die erste öffentlich gehandelte Arbeit des bayerischen Bildhauers am Dresdener Hof seit napoleonischer Zeit (1,4 Mio. Euro). Dickinson Roundell aus New York haben als kleine Sensation ein neu entdecktes und sicher zugeschriebenes Landschaftsaquarell von Vincent van Gogh zu rund zehn Millionen US-Dollar dabei und Landau aus Montreal mit einer späten großformatigen „Schlafenden“ von Pablo Picasso das wahrscheinlich teuerste Werk der Messe, Preis: über 20 Millionen Euro. Einige Händler scheinen inzwischen verstanden zu haben, dass ihnen das Stammpublikum allmählich aus demographischen Gründen entschwindet und sie gut daran täten, sich um jüngere Sammler und eine zeitgemäßere Präsentation bemühen sollten. Moretti (Florenz/London/New York) zieht die Besucher mit einer Madonna mit Kind von Sandro Botticelli und Werkstatt (1,8 Mio. Euro) in die Koje, um sie dort, um sie dort mit einem Mix Altmeistergemälden und erstmals marktfrischen Arbeiten von Enrico Castellani aus den Jahren 1968 (1,25Mio. Euro ) und 1970 (2,25 Mio. Euro) zu überraschen. Der Wow-Effekt der weißen erhaben genarbten Leinwände des italienischen Minimalisten zwischen frühneuzeitlichen Madonnen bleibt auch nicht aus. Beim mitunter erstaunlich bieder präsentierten Design stechen zwei Stände heraus: Jason Jacques (New York) hat seine Kojenwände flächendeckend mit chromglänzenden Blechplatten verschraubt, die Exponate stehen auf stählernen Kellerregalen: Keramiken aus Sèvres, daneben ein wilder Mix aus einem Darmstädter Jugendtil-Vitrinenschrank (180.000 Dollar), zwei mittelprächtige altmeisterliche Heiligenbilder und zweimal großformatige zeitgenössische Malerei. Francois Laffanour/Galerie Downtown aus Paris hat zur Abwechslung einmal keine französischen Klassiker mitgebracht, sondern Möbel der Shaker aus dem frühen 20. Jahrhundert. Schon am Vernissageabend war bei Preisen bis in den siebenstelligen Bereich kaum noch etwas zu haben. Alles wie gewohnt also bei der Leistungsschau des Außergewöhnlichen. Anlass zur Sorge könnten auf lange Sicht die Ergebnisse des Art Market Reports von Clare McAndrews bereiten, den sie im Auftrag der Tefaf erstellt. Wenn die Daten denn so erhoben und aufbereitet wären, dass man mit ihnen etwas anfangen kann. Ein Blick hinter die immer enthemmteren Rekordpreise und Zuwachsraten an der Spitze würde zeigen, dass das mittlere Segment bestenfalls stagniert. Und in dem fischt nämlich mittlerweile die Tefaf, weil sie bei den teuren Zeitgenossen nicht mitspielt.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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TEFAF 2015
13 - 22.03.2015

MECC (Maastricht Exhibition & Congress Centre)
6229 Maastricht, MECC (Maastricht Exhibition & Congress Centre), Forum 100
Tel: +31 43 383 86 66 , Fax: +31 43 383 88 08
Email: info@tefaf.com
http://www.tefaf.com
Öffnungszeiten: täglich 11-19 h


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