Werbung
,

Johanna Kandl - Nah am Text: Im Schnittfeld der Kulturen

Das in hunderten Broschüren, Prospektchen, Büchern und Plakaten abgedruckte Porträt Herzog Rudolphs IV dürfte wohl um einiges bekannter sein, als der Ort, an dem es gewöhnlich zu sehen ist. Es ist das prominenteste Exponat des Dommuseums der Erzdiözese Wien. Dort befinden sich nicht nur alle möglichen kulturhistorisch relevanten Schätze, die auf die Kolonisation Europas durch die Kräfte der römisch katholischen Kirche hindeuten, sondern auch die Otto Mauer-Sammlung mit rund 3000 Werken der österreichischen Nachkriegsavantgarde sowie zahlreiche Arbeiten konzeptueller Gegenwartskunst. Größer könnte der hier gezogene Spagat also gar nicht sein. Mit herausragender Genialität ist es Johanna Kandl gelungen, mit einer Intervention im öffentlichen Raum diesen Bogen zwischen dem 14. Jhdt. und der Jetzt-Zeit zu ziehen. Kurz der Hintergrund: Seit 2012 wird das Dommuseum nach Plänen von Boris Podrecca erneuert. Seit genau zwei Jahren leitet Johanna Schwanberg die – aktuell noch geschlossene – Institution im sogenannten Zwettlerhof zwischen Stephansplatz und Wollzeile. Was könnte in dieser Phase der Transformation naheliegender sein, als im Außenraum Kunst zu platzieren?! Kunst auf der Baustelle. Bereits Hubert Lobnig hat mit einer performativen Aktion, Foto-Dokumentation und Ausstellung den Zustand der Baustelle thematisiert. Johanna Kandls Arbeit im öffentlichen Raum wurde zwar schon vor einiger Zeit eröffnet. Es rentiert sich aber nach wie vor, extra die kleine Abzweigung in den als Passage genutzten Hof zu nehmen. Auf den ersten Moment wirkt das temporär gesetzte Werk wie ein für unsere lateinisch codierte Wahrnehmung unleserliches arabisches Graffiti. Dann stellt sich heraus, es ist Malerei direkt auf einem Bauverschlag – 2,5 Meter hoch und ca. 20 Meter lang. Bemalte Grobspanplatten. Dafür übertrug Johanna Kandl Schriftzeichen vom Grabtuch Rudolphs IV auf den Bauverschlag. Ins Deutsche übersetzt: »Ehre sei unserem Herrn; dem erhabenen Sultan, verherrlicht im Ruhme, Krönung des Diesseits und der Religion, Būsʽīd Bahādur ān; Gott erhalte immerwährend seine Herrschaft«. Selbst heute dürfte nicht ganz geklärt sein, wie der ursprünglich für den muslimischen Ilchansultan Abū Saʽīd (reg. 1316–1335) gefertigte Stoff in das Umfeld Rudolphs kam. Doch der Kreis zur Gegenwart hin schließt sich, sobald man bedenkt, wofür der 1365 früh verstorbene Rudolph steht. Er wird auch »der Stifter« genannt: als Gründer der Universität Wien und als Initiator des Baus des Stephansdoms. Implementierung der Wissenschaften und Setzung eines Wahrzeichens. Kaum lassen sich durch ein derart logisch wirkendes Konzept der Malerei, durch eine derart plausible und ortsadäquate Idee, wie jener Johanna Kandls, so viele Bezüge herstellen. Es sind vor allem Linien zwischen der Herkunft unserer Geschichte und der mitteleuropäischen Gegenwart. Immerhin fußen Pfeiler unserer Kultur auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und weitertransportierten Mythen aus dem arabischen Raum. Hinzu kommt, dass das Porträt des innovativen Rudolph, das gerahmt gerade mal 45 x 30 cm misst, fast Pop-Charakter hat. Es gilt es als erstes gemaltes Porträt im Abendland. Strahlkraft über Strahlkraft und Bedeutung und Bedeutung! Aber was soll man machen?! Es ist so. Von daher lässt sich nämlich verstehen, warum so ein Grabtuch mit einem etwas rätselhaften arabischen Schriftzug derart schillernd wirken kann. Doch sprechen wir lieber von der Gegenwart Hier schillert nichts. Vielmehr ist es wie so oft bei Johanna Kandl: Sobald etwas realisiert ist, wirkt es, als wäre genau dies die einzig plausible Möglichkeit gewesen. Was Johanna Kandl jedoch besonders auszeichnet ist, dass sie den Weg bis zur Umsetzung dann auch konsequent weitergeht. Entstanden ist ein Werk, das in seiner unprätentiösen Größe genauso wirkt, als hätte es schon immer genau in dieser formalen Lösung genau dorthin gehört.

Mehr Texte von Roland Schöny

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Johanna Kandl - Nah am Text
09.10.2014 - 31.03.2015

Dom Museum
1010 Wien, Stephansplatz 6
Tel: +43 1 515 52 3300, Fax: +43 1 515 52 2599
Email: info@dommuseum.at
http://www.dommuseum.at/
Öffnungszeiten: Mi, Fr, Sa, So 10-18, Do 10-20 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: