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Arte Fiera Bologna 2015: Stillstand

Diese Messe ist zäh. Sie will einfach nicht sterben, und man weiß nicht, ob es sich um ein letztes Aufbäumen handelt oder ob sich die Artefiera in Bologna doch gerade wieder erholt. Bei Claudio Spadoni, einem der beiden Direktoren, klingt das natürlich alles positiv: "Einige Galerien haben wichtigere Kunstwerke mitgebracht, immer noch von denselben Künstlern, aber bessere. Letztes Jahr haben sie gemerkt, dass die Verkäufe besser waren als die Erwartungen." Das gilt für die italienischen Teilnehmer. Denn er gibt zu: "Mit den internationalen Galerien ist es schwierig, vor allem wegen der Bürokratie und aus steuerlichen Gründen." Tatsächlich macht die Messe einen nicht mehr ganz so katastrophalen Eindruck wie noch letztes Jahr. Vor allem ist es gelungen, einige auch außerhalb Italiens wichtige italienische Vertreter mit an Bord zu holen, wie etwa Massimo Minini aus Brescia. Alfonso Artiaco aus Neapel ist so einer, den sie überreden konten. "Wir brauchen Dich unbedingt", hätten sie ihn gebeten, erzählt er. Umgekehrt dürfte das weniger der Fall sein. So ist er eine der ganz wenigen Ausnahmen, die international renommierte aktuelle Kunst zeigen. "Alle italienischen Messen schwächeln zur Zeit", erklärt Artiaco. Das klingt, als sei es egal, wo man sein Geld verbrennt. Mit dem Problem ist man in Italien tatsächlich nicht allein. Der gesamte Mittelstand bröckelt bei der zeitgenössischen Kunst. Für Erika Deak aus Budapest ist Bologna wahrscheinlich die letzte Messe in diesem Jahr. "Ich brauche mal eine Auszeit", seufzt sie. "Ich habe im letzten Jahr mehr in Ungarn verkauft als im Ausland." Nach ihrer Beobachtung tun sich alle Messen unterhalb des Top-Segments seit einiger Zeit schwer. Bologna falle da nicht aus dem Rahmen, weder im Positiven noch im Negativen. Nur das Niveau des zeitgenössischen Angebots sei nach wie vor ... naja. Für den "Focus East" muss man zum Glück sehr genau fokussieren, so klein ist er. Und was es dort zu sehen gibt, vermag nicht zu begeistern. Die Anwesenheit von KRO Art aus Wien kann das nicht retten. Das auswärtige Kontingent ist ansonsten klein wie immer. Dorothea van der Koelen aus Mainz/Venedig hat nach vielen Jahren der Treue nicht wieder beworben, dafür hat sich Volker Diehl aus Berlin an einem großen Gemeinschaftsstand mit drei einheimischen Kollegen beteiligt. Voss aus Düsseldorf und Hollenbach aus Stuttgart sind weiterhin dabei. Unfreiwillig amüsant ist der Auftritt einer Galerie aus Uruguay, die ihren Stand unter das Thema "Contemporary American Abstraction" gestellt hat, was fatal nach der berüchtigten Crapstraction klingt - und genau so aussieht. Die Qualitätssteigerung der Artefiera hat ihre Ursache vor allem im Wegbleiben vieler Vertreter unterklassiger Zeitgenössischer Kunst. Selbst in der rechten Halle, die eigentlich Erstgalerien vorbehalten ist, hat sich viel Etabliertes aus der großen Zeit der italienischen Nachkriegskunst eingeschlichen, also der 50er und 60er Jahre. Das bemängelt selbst Alessandro Pasotti von der Bolgneser Galerie P420, der allerdings selbst vor allem mit Klassikern wie Hanne Darboven handelt, wenn auch als offizielle Repräsentanz des Nachlasses. Die größte Stärke der Messe ist denn auch dieses Segment. Die Fontana-Flut der letzten Jahre ist zwar etwas abgeflaut, dafür scheinen sich hier jetzt die Lebenswerke von Enrico Castellani, Francesco Bonalumi und - ganz neu - Turi Simeti zu versammeln. Selbst an einem Revival der Transavanguardia der 80er Jahre versuchen sich einige Aussteller - ohne größeren Erfolg. Sehenswert ist eine große Einzelpräsentation von Alberto Burri, die Poleschi Arte ausrichtet. Die schönste Entdeckung ist jedoch eine der seltenen Leinwände des Futuristen Fortunato Depero, der im Brotberuf Werbegraphiker war, bei Poleschi Arte Mailand und Lucca. Die Hommage an den sizilianischen Landbau ist nicht nur ausgesprochen dekorativ, sondern mit Zertifikat des Nachlasses und einem Preis von 150.000 Euro vor allem echt und relativ preiswert. Die ganze Tragödie der Artefiera offenbart sich im Zulassungsverfahren. Von einem Jurymitglied ist zu erfahren, dem Komitee seien lediglich 30 Neubewerbungen vorgelegt worden. Von denen hätten sie zwei Drittel abgelehnt. Alle übrigen der insgesamt knapp 200 Aussteller seien aufgrund früherer Zulassungen akzeptiert worden.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Arte Fiera Bologna 2015
23 - 26.01.2015

Arte Fiera Bologna
40100 Bologna, Quartiere Fieristico di Bologna
http://www.artefiera.bolognafiere.it
Öffnungszeiten: Do-Sa 10.30-20, So 10.30-19 Uhr


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