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Mark Leckey: Als ob : Kühlschrank der Eitelkeit

Meterhohe Lautsprechertürme, eine Menge Equipment, tausende von Watt starke Verstärker, und doch ertönt hier keine elektronische Tanzmusik. Das ist zwar alles kein Fake-Equipment, und was Mark Leckey uns im Haus der Kunst auftischt, ist nicht nur großer Materialaufwand. Es ist große Kunst. Sein Werk, das sich mit den Nebenwirkungen der Trivialkultur auf unser Bewusstsein auseinander setzt, hinterlässt eine produktive Verstörung. Die "Sound Systems" sorgen in ihrer Größe für mehr als nur akustische Einsprengsel, die übrigens mit den anderen Arbeiten verschaltet sind, um die Geräuschkulisse nicht ins Chaos ausufern zu lassen. Geben sie ihre klingenden Versatzstücke ab, spürt man, welche körperliche Macht hinter den Schallwellen der Klanggeber stecken muss. Fünf dieser großen Objekte, die seit 2001 entstehen, werden gezeigt. Ursprünglich stammen sie aus Jamaica, wo mit ihnen Dub und Reggae von einer Lkw-Pritsche herab an die frische Luft gebracht wurde. In seiner Jugend nahm Mark Leckey diese Krawallbrüder wahr, als sie den Weg nach England fanden. Mit schwarzem Filzmarker hat er geistreiche Sätze wie Klosprüche hinten auf die Gehäuse geschrieben. Ihre Erscheinung ist Macht ausstrahlend, dabei wollen sie doch nur unterhalten. Der 1964 geborene Liverpooler, der von sich behauptet, ein Fetischist zu sein, ist süchtig nach Dingen. Und er ergründet unsere gegenständliche Welt und zoomt diese nah heran, beseelt sie auf überspitzte Weise, indem er etwa einen schwarzen, ziemlich high-endigen Kühlschrank in einen Greenscreen stellt und ihm seine Stimme, verfremdet wie die Sprachausgabe aus dem PC, leiht. Da referiert er dann über Lautsprecher und Laufschrift zum mitlesen, und man ist irritiert über dieses Relikt einer Zeit, in dem das Fantasma des vollautomatisierten Haushalts nicht mehr Schlaraffia, sondern "Internet der Dinge" heißt. Dieser eitle Kühlschrank hat also nun künstlich genau die Seele bekommen, die wir uns für den Tin Can Man im "Wizard of Oz" vorstellen, und das ist zum Schreien komisch und führt die Werbeversprechen der gigantischen Elektronikkonzerne parodistisch vor. Da parliert er und imaginiert sich auf dem Bildschirm zusammen mit schicken schwarzen Limousinen, Spielekonsolen, Computergehäusen, aber auch archaischen Skulpturen in stets wechselnde Bildern. Und wir sehen, wie diese Illusion entsteht, denn die eigentliche plastisch-installative Arbeit ist ja das Gerät in dem strahlenden Grünraum. Und der erst ermöglicht es, diesen Farbton im Bildrechner mit jedem beliebigen Hintergrund auszutauschen. "GreenScreen-RefridgeratorAction" stammt aus dem Jahr 2010. Zwei Jahre zuvor gewann Leckey den begehrten Turner Prize. Er zählt zu einer Generation von Künstlern, die nach dem Hype um die Young British Artists wieder ein wenig mehr Substanz in den Betrieb brachten. Er sei groß geworden mit Theorien der Entfremdung, und alles, was er wolle, sei eben das genaue Gegenteil davon. Die Gegenstände ziehen ihn an, sie absorbieren ihn, beschreibt Mark Leckey. Ob man sagen könne, dass es kein Wesen hinter den Bildern, sondern nur Rauschen gebe, sagt der Künstler: "Es gibt ein Wesen, aber das zeigt sich nur im Prozess. Ich kann keine kritische Distanz dazu einnehmen." Muss er auch nicht, wenn er uns nur weiterhin so intelligente wie sinnlich-witzige Arbeiten serviert. Vielleicht kommt dieser Blick auf die Welt daher, dass er sich in den 1990er Jahren weitgehend aus der Kunst zurückgezogen hat. Vielleicht brauchte es diese Zeit, um sich darüber klar zu werden, dass Kunst zum Bildsystem wie die Boulevardpresse dazu gehört und diesem Metabolismus nur auf anderer Ebene visuelle Schmiermittel einspeist. Derlei Kontexte hinterfragt er in seinen Werken, die sich mit Kino und Bildlichkeit auseinander setzen, zum Beispiel in der Übersteigerung einer Vergrößerungsapparatur, die der dystopischen Science Fiction "Blade Runner" von Ridley Scott (1985) entnommen ist ("Search Engine", 2008-11). Oder mit "Made in 'Eaven". Das ist eine Animation aus dem PC, die der Künstler auf 16 Millimeter-Filmmaterial ausbelichten ließ. Nun läuft diese ironische Brechung des Umschreitens eines Jeff Koons-Gebildes als Zelluloid über einen altmodischen Projektor. Seine Arbeiten sind oftmals Bildschleusen, die vorgefundenes Material auf ein anderes Niveau heben. Mit "Felix Gets Broadcasted" (2007) zitiert er den Cartoon-Kater von Otto Messmer herbei, der in Fernsehexperimenten des amerikanischen NBC in den 1920er Jahren Geschichte geschrieben hat. Inmitten von Strommasten aus Pappe, die von großen, gelb leuchtenden Straßenlaternen beleuchtet werden, bringt der Künstler die Dinge auf den Punkt: "Die Art und Weise wie ich die Welt verstehe, basiert auf der Tatsache, dass ich verseucht bin und mutiert wurde durch die Medien."
Mehr Texte von Matthias Kampmann

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Mark Leckey: Als ob
30.01 - 31.05.2015

Haus der Kunst München
80538 München, Prinzregentenstrasse 1
Tel: +49 (0)89 21127-113, Fax: +49 (0)89 21127-157
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