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Dieter Roth - Balle Balle Knalle: Von Wurst und anderen Stilmitteln

Wie Werbung wirken sollte, zumindest in den fünfziger Jahren: Ein Milchscheffel samt Brotlaib und Butterziegel für den Milchverband, Käse mit malerischen Löchern und einem entsprechenden Topf Fondue für die Käseunion und variantenreich gestaltete Ziegenböcke im Zusammenhang mit appetitlich gefüllten Biergläsern für eine Brauerei. Etwas später wurden die Reklameentwürfe für die Brauerei weniger motivisch als geometrisch angelegt, ein Spiel zwischen schwarz/weiß, postiv/negativ, da scheint der Auszubildende bereits auf den Weg gebracht in Richtung konkreter Poesie, doch auch das wird lediglich ein Durchgangsstadium sein. Viele Jahre später berichtete Dieter Roth (1930-1998) über den Anfang seiner Ausbildung in der Schweiz, er habe zu Beginn meistens Biergläser gezeichnet. Das mag durchaus zutreffen, doch scheint ihn eben diese Hinführung zu der Verwendung von Text und Bild beziehungsweise der Wertschätzung von Gebrauchsgrafik sein Leben lang geprägt zu haben. Ein nachgerade emotionales Verhältnis, das sich beispielsweise in „Flacher Abfall“ manifestiert. Verpackungsmaterial, mit dem er täglich in Berührung kam, wurde hierfür in eine Klarsichthülle passend in eine platte Form gebracht und gleichsam als Diarium, in Regalmetern von Aktenordner archiviert. Roth selbst hatte sich als Schriftsteller verstanden und machte keinen Hehl daraus, Objekte vornehmlich zur Finanzierung seiner Buch- und Zeitschriftenprojekte herzustellen. Bisweilen verband er das Eine mit dem Anderen indem er Literatur ganz buchstäblich zu Objekten verwurstete. Entsprechend legt die Ausstellung „Balle Balle Knalle“ im Kunstmuseum Stuttgart ihren Schwerpunkt auf jene Wechselwirkung von Literatur und Kunst im Werk des in Hannover gebürtigen Weltenbürgers mit Schweizer Pass. „Quantity instead of Quality“ zitiert Kurator Sven Beckstette den Künstler über dessen Produktivität. Rund 500 Publikationen sind es im Laufe der Jahre geworden, alleine die zu Lebzeiten erschienenen gesammelten Werke beliefen sich auf 26 Bände, doch war eine Erweiterung auf die runde 100 geplant. Ob nun Literatur, Kunst, Musik, Design oder anderes lässt sich hier nicht trennen, Ulrike Groos spricht ganz treffend von einem „Projekt der Entgrenzung“, entsprechend multimedial vielfältig und kurzweilig gibt sich die umfassende Schau. Das Kunstmuseum Stuttgart verfügt selbst über einen Reichen Bestand an Werken Roths, ebenso –durch die (Fluxus-)Sammlug Sohm – die örtliche Staatsgalerie, zahlreiche Exponate mussten demnach keine allzu große Reise antreten. Die raumfüllende Installation „Grosse Tischruine“, die stetig erweitert wurde, hat seinen Ursprung 1978 ebenso in der schwäbischen Metropole, wo der Künstler eine Zeitlang auch lebte. Doch ebenso wie das Werk Roths von der Entgrenzung lebt, lebte der Künstler irgendwie überall. In den USA wie auf Island, in Basel, wo er starb, oder in Wien und Berlin, wo er sich in der einschlägig bekannten Truppe um Rühm, Wiener, Attersee, Nitsch, Steiger und anderen pudelwohl fühlte. Man führe an verschiedensten Orten „Selten gehörte Musik“ auf und fabrizierte eine Reihe von Gemeinschaftsarbeiten auf Papier. Die Blätter gingen reihum, jeder lieferte seinen Beitrag, der wie sich Attersee später erinnert stets mit einem finalen Akt besiegelt wurde: „-und der Roth hat zum Schluss noch ein Wurstradl auf jedes Blatt gelegt, das gab schöne Fettflecken.“ Film des Kunstmuseum Stuttgart zur Ausstellung:
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Dieter Roth - Balle Balle Knalle
13.12.2014 - 12.04.2015

Kunstmuseum Stuttgart
70173 Stuttgart, Kleiner Schlossplatz 1
Tel: +49 (0) 711 – 216 21 88, Fax: +49 (0) 711 – 216 78 20
Email: info@kunstmuseum-stuttgart.de
http://www.kunstmuseum-stuttgart.de
Öffnungszeiten: Di-So: 10-18 Uhr, Fr: 10-21 Uhr, Mo: geschlossen


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