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Gerhard Richter - Ausschnitt: Quantensprung mit Richter

Das ist eine Wucht an Gemälden, mit der das Neue Museum Nürnberg gemäß Dresdner Gerhard-Richter-Archiv zum weltweit drittgrößten Sammlungsort von Gemälden des 1932 geborenen Malers avanciert. Am 13. November eröffnete das Haus eine Ausstellung mit den Leihgaben des Berliner Sammlerehepaars Ingrid und Georg Böckmann. Die Familie bringt ihre 29 Gemälde dauerhaft in der Dürer-Stadt unter. Ritterschlag oder Danaergeschenk? Im Trubel der Feierlichkeiten geht bisweilen unter, dass mit dem Parken von Privateigentum in öffentlichen Häusern gelegentlich Fallstricke verbunden sein können – siehe den jüngsten Rückzugsfall in Berlin, als Heiner Bastian Ende September Beuys-Werke aus eigener Sammlung unvermittelt vom Hamburger Bahnhof zurückforderte. Doch die Böckmanns sind nicht Bastian. Und zum Glück gibt es auch nicht eine derartige Geschichte wie den Zwist zwischen Bastian und den Berliner Museen. Angelika Nollert jedenfalls, ehemalige Direktorin des Neuen Museums, die einen großen Teil dazu beigetragen hat, dass die Sammlung in Nürnberg eine dauerhafte Bleibe gefunden hat, bezeichnete die Leihgabe als "Quantensprung" für das Neue Museum. Und sicher, die Frankenmetropole ist damit um eine Attraktion reicher, denn diese Werke formieren einen exzellenten Überblick über das Schaffen bis 2003. Weiter in Jetztzeit geht’s nicht. "Wir müssten uns von Werken trennen, um heute ein Werk kaufen zu können", meint Ingrid Böckmann und verdeutlicht damit, dass das für sie ausgeschlossen ist. "Wir lieben jedes einzelne Bild und könnten uns niemals trennen." Und es verdeutlicht zugleich das Dilemma des vollkommen übersteigerten Marktwerts von Kunst. Einen Zustand, den der Maler selbst einmal als absurd bezeichnet hat. Die Geschichte der Unterbringung von Richter-Bildern in Nürnberg reicht bis in die 1980er Jahre zurück. Mit Lucius Grisebach, Gründungsdirektor des Neuen Museums und seit 2007 pensioniert, begann die Beziehung. Georg Böckmann formuliert salopp, wenn er beschreibt, wie sich die Nürnberger gegen potente Mitbewerber wie die Hamburger Kunsthalle durchgesetzt haben. Diese Lockerheit lässt auf ein großes Vertrauensverhältnis schließen. Und es offenbaren sich bilaterale Nöte, die nun dem Anschein nach einer besten Lösung zugeführt werden. Denn während die Sammler ihre Bilder aufgrund der enormen Versicherungssummen gar nicht mehr zuhause hängen können, bekommen diese konservatorische Pflege und kunsthistorische Betreuung nach höchstem Standard. Andererseits ist es eine Binsenweisheit, dass die öffentliche Hand niemals dazu in der Lage wäre, eine solche Sammlung fürs öffentliche Eigentum zu akquirieren. Alle Bilder können aufgrund von Platzmangel in Zukunft nicht gleichzeitig gezeigt werden. Es bleibt daher dem Geschick von Eva Kraus, die Angelika Nollert im September als Direktorin gefolgt ist, überlassen, kreativ mit dem neuen Stamm umzugehen. Übrigens nicht die einzigen Positionen, denn die Eheleute Böckmann vertrauen zugleich Bilder von Isa Genzken, Gotthard Graubner und A. R. Penck – insgesamt 69 Arbeiten – dem Neuen Museum an. In der Ausstellung, die 27 der Böckmannschen Schätze zeigt, hat der Meister noch ein frühes Werk hinzugenommen. Es handelt sich um das Faksimile einer Serie mit Walzendrucken von 1957, "Elbe" betitelt. Zwei Gemälde fehlen allerdings, denn "Eule" (1982) und "Canaletto" (1990) hängen noch bis 2017 in Berlin im Kanzleramt und bilden, wie in den Nachrichten anlässlich hoher Staatsbesuche gelegentlich zu sehen, den Hintergrund für den Empfang der Gäste durch Kanzlerin Angela Merkel. Durch diesen Veredelungsvorgang sind die Bilder nicht mehr nur kunsthistorisch bedeutsam. Hier gelangen nun Wirtschaftswerte an die Pegnitz, die durchs System auf höchster Ebene geadelt werden. Bleibt für die Nürnberger zu hoffen, dass die Fristen nicht allzu kurz geraten sind. Über Details der Verträge äußert man sich diesbezüglich jedenfalls nicht. Es heißt lediglich, dass es keine Ausstiegsklausel und keine besonderen Auflagen gebe. Na, das ist ja schon mal etwas.
Mehr Texte von Matthias Kampmann

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Gerhard Richter - Ausschnitt
14.11.2014 - 22.02.2015

Neues Museum - Staatliches Museum für Kunst und Design in Nürnberg
90402 Nürnberg, Klarissenplatz
Tel: +49 911 240 200, Fax: +49 911 240 20 29
Email: info@nmn.de
http://www.nmn.de/
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 h


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