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paraflows .9 - Intimacy: Frankie will es wissen

Ein aktuelles und brisantes Thema, ein Open Call an interessierte KünstlerInnen, eine fachkundige Jury und Kuratierung, ein von Diskurs und Konzerten begleitetes Programm: paraflows .9 Die neunte Auflage des Festivals für digitale Kunst und Kulturen präsentiert unter der Leitung von Judith Fegerl und Günther Friesinger 16 künstlerische Positionen im Künstlerhaus Wien. Thema ist INTIMACY, die Privatsphäre, ihre aktuelle Disposition mit ihren Möglichkeiten in dem von digitalen Netzen geprägten Umfeld, unter den Umständen der allgegenwärtigen und permanenten Verfügbarkeit, aber auch Unausweichlichkeit. Die künstlerischen Annäherungsweisen sind sehr unterschiedlich und vielgestaltig, je persönlicher die Auseinandersetzung mit der Problematik, desto anregender ist das Resultat. Bleibt der jeweils herausgegriffene Aspekt, wie etwa die Simultaneität und Verwobenheit von privatem und öffentlichem Datenverkehr in Social Networks oder die aufgespürte Häufung von identen Passwörtern im Internet, im Kontext des Allgemeinen hängen und wird nicht aus persönlicher Perspektive reflexiv weiter getrieben, so birgt das Resultat den eher geringen Erkenntniswert einer zwar bemühten, aber doch illustrativen Übung. Auch solche Exponate sind auf der paraflows .9 zu finden. Wahrlich risikofreudiger ist die experimentelle Performance von Jos Diegel, die er 2013 mit Lisa Schröter realisierte. Die beiden kannten sich kaum und trafen sich in San Francisco um dort für die Dauer einer Woche eine Beziehung zu spielen. Die Beziehung als artifizielles Konstrukt entpuppte sich als von der Realität nicht unterscheidbar, bzw. wurde der Begriff der Beziehung relativiert und diese als Performance entlarvt. Im Akt dieser 7–Tages–Performance wurde stets gefilmt, was ein zeitgleiches Hinterfragen seiner selbst, des anderen, der gesetzten Handlungen und der gesamten Situation mit sich führte. Die Performance wurde zu zwei Videos verdichtet und wird in einer dialogischen Gegenüberstellung präsentiert, also wieder gleichsam zu einer Beziehung übergeführt. Mit dieser Arbeit wird jener Effekt erzielt, den ein anderes Exponat beanspruchen wollte, eine Selbstreflexion der BetrachterInnen: Die Rezeption des Schauspiels von „Vincent und Emily“ (Carolin Liebl + Nikolaus Schmid-Pfähler; 2013), den zwei Robotern, die als ein beziehungsanbahnendes Paar über Sensoren aufeinander und auf die Umgebung reagieren, geht über einen belustigten Voyeurismus kaum hinaus. Spaßig, aber tiefgründiger ist „Frankie“ (Maayan Scheleff; 2013): Der wissbegierige Computer will von den BesucherInnen das Wesen des Menschseins erfahren. Diese sind eingeladen sich dem Interview durch Frankie zu stellen. „Frankie“ reagiert scheinbar emotional durch Bewegungen mit den an ihrem Bildschirm montierten Kameras und sprachlich mit unverblümter Direktheit und unvergleichlicher Hartnäckigkeit. Sie speichert die vergnüglichen, doch auch seltsam beklemmenden Gespräche in ihrem Archiv ab, erweitert so stets ihr Wissen und lässt dieses Archiv im Internet auf www.frankieproject.com einsehen. Auf heitere Art verquickt „Frankie“ die Problematiken des Verhältnisses Mensch – intelligente Technologie und die Diskrepanz privat – öffentlich. Marlene Haring entwickelte ihre Videoinstallation „Photoboothautograph“ 2009. Einen ganzen Raum füllt sie mit locker verteilten Bildschirmen an, die jeweils ihre Person mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken zeigen. Zwei divergierende Aufnahmen zu einer bestimmten Mimik oder Gestik wechseln einander im Loop ab. Haring thematisiert die Spaltung der Persönlichkeit, was auch bejahend zu einer Vielfalt an Gesichtern aufgefasst werden kann. Heute, vor der Aktualität der „Selfies“, verschärft sich die kritische Brisanz der Arbeit. Michael Heindls aktivistisches Unternehmen „The Same Old Story“ (2012) basiert auf dem Erlebnis, sein am Parkplatz abgestelltes Auto unversperrt und mit laut aufgedrehtem Radio vorgefunden zu haben. Das danach stattgefundene Telefonat mit der Polizei über die befremdliche Tatsache hielt er fest und multiplizierte dann eine Variante dieser Situation im öffentlichen Raum: Er suchte nach anderen unversperrten Autos und legte in deren CD–Spielern eine CD mit der Aufnahme des Gesprächs mit dem Polizeibeamten ein und stellte die Lautstärke auf Maximum. Das auf der paraflows .9 präsentierte Video hält in fokussierten Ausschnitten die essentiellen Abschnitte seiner Intervention und Distribution im öffentlichen Raum fest. Heindls Eindringen in die fremden Privatsphären der Pkws ist ungehörig, dennoch humoristisch. Er ruft den unfreiwillig an der Aktion Partizipierenden deren Auto als intime Zone ins Bewusstsein und verweist auf die Verletzlichkeit der Grenzen. Alles in allem bietet die Ausstellung paraflows .9 wieder einen spannenden und höchst abwechslungsreichen Parcours durch aktuelle künstlerische Tendenzen zu einer aktuellen, jeden betreffenden Problematik.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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paraflows .9 - Intimacy
12.09 - 12.10.2014

Künstlerhaus Wien
1010 Wien, Karlsplatz 5
Tel: +43 1 587 96 63
Email: office@k-haus.at
http://www.k-haus.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi + Fr 10-22 h


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