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Wolfgang Ernst. LICHT BLEI & SCHATTEN: In Gedanken vertieft stolpern erwünscht

Wenn sich die BesucherInnen der Wolfgang Ernst Werkschau “Licht Blei & Schatten” in der Kremser Dominikanerkirche nicht des kleinen Begleitheftes, das Ihnen bei der Kassa kostenlos in die Hand gedrückt wird bedienen, werden sie vergeblich nach Beschriftungen und Erklärungen zu ausgestellten Kunstwerken suchen. In dem architektonisch sakral-gestempelten Ambiente wo Licht und Schatten mit dem Ausstellungstitel flirten - vierundvierzig Werke kommunizieren miteinander - und mit der Umgebung in eine akribisch entwickelte Sprache, die der Künstler, im Laufe seiner Karriere, immer wieder neu kodiert und vertieft hat. Von Anfang an schöpfte der gelernte Tischler, der als Autodidakt vor fünf Dekaden seine ersten Werke schuf, Inspiration aus unterschiedlichen philosophischen, literarischen, wissenschaftlichen, ja sogar medizinischen und alchemistischen Quellen. Er interpretierte sie neu und nahm vor allem ein Stück Erfahrung, Wissen und Neugier mit. In den 1960er Jahren vertiefte er sich in die Musik amerikanischer zeitgenössischer Komponisten wie John Cage und Morton Feldman, näherte sich den Wiener Aktionisten an, nahm die Arte Povera wahr und legte die Fundamente für sein leicht erkennbares, aber nicht leicht zu nehmendes künstlerisches Schaffen. Musikalische Kompositionen die zwei thematisch aufgebaute Räume akustisch vervollständigen, begeistern die BesucherInnen genauso ästhetisch wie das “Projekt Eingang” (1968/2014) - eine breite schwarze Wand mit glänzender Tür aus poliertem rostfreien Stahl, die auf sich auch die innenarchitektonische Rolle übernommen hat, als Trennung der Chorapsis und des Hauptschiffs. Und genau dort hinter der Tür, im abgerundeten Raum, wird man aufgefordert über fünf genau 30 Zentimeter hohe eiserne “Sperren” (1969/2014) “im Denken zu stolpern”. Bezüglich dieser Arbeit macht uns Kuratorin Margareta Sandhofer auf das bekannte Zitat von Samuel Beckett aufmerksam: “Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.”, geschrieben im Jahre 1983 von dem bekannten Irischen Schriftsteller in seinem Prosastück “Aufs Schlimmste zu” (Westward Ho). Den Gedanken überlassen offenbart sich dem Auge bei der letzten “Hürde” Ernsts fragmentarisches Prosawerk “Kassandra” (Graffit an der Wand , 1992), mit dem selbstreflektierenden Wort in Neon leuchtend. Die großformatigen Arbeiten in der Chorapsis schweben in diskretem Abstand zu denkmalgeschützen Wänden, etwa das zweiteilige “Coptic Light - das heftige Schweigen der Engel” (2011) oder “Acéphale” (1999) - eine Hommage an die von George Batailles in 1936 gegründete Zeitschrift und die kurz darauf entstandene gleichnamige “Geheimgesellschaft”. Mächtig ist das unbeabsichtigte Zusammenspiel der alten, langsam verschwindenden Frescos der Dominkanerkirche und Ernsts Kunstwerken, das das Auge des Betrachters auf kleine Details aufmerksam macht. So im Falle einer titellosen Stahl- & Neonlichtinstallation aus dem Jahre 1994, deren “rechter Engelsflügel” das kaum noch erkennbare Bild zweier Heiligen fast berührt. Die Intention zwei so weit von einander entfernte Kunstwerke zu verbinden war wohl nicht gewollt, das Ergebnis ist nichtsdestotrotz eindrucksvoll. Die alte Architektur wurde anderseits ganz bewusst von der Kuratorin genutzt, um die großformatige Installation “Lichtspeicher” (1997) zum Ausdruck zu bringen: ein aus einem Metall-Bettgestell und einer “Treppe” aus zwölf leuchtenden Neonröhren bestehender Zentralteil der Installation wurde genau hinter der Säule am linken Seitenschiff positioniert. Die Neugier der BetrachterInnen ist geweckt, der Wunsch die silbernen Graffiti auf dem acht Meter langem Zeitungspapier aus der Nähe zu analysieren fast zwanghaft. “Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.)” heißt es in “Tractatus Logo-Philosophicus” vom Ludwig Wittgenstein. Diese Worte werden in zwei einander gegenüber positionierten skulpturalen Werken in Erinnerung gerufen - “Wall” (1969) und “Erfolgstreppe” (1968/2014). Wolfgang Ernst lässt uns an seiner anspruchsvollen künstlerische Welt, die aus verschiedensten Materialien - Holz, Stahl, Aluminium, Gummi, Glas, Graphit, Leuchtstoffröhren, Kupfer, Klang & Text - besteht teilnehmen, in einer äußerst spannend kuratierten Schau.
Wolfgang Ernst. LICHT BLEI & SCHATTEN
08.06 - 19.10.2014

Landesgalerie für zeitgenössische Kunst
3500 Krems, Dominikanerkirche Krems, Körnermarkt 14
Tel: +43 2742 90 80 90
Email: office@zeitkunstnoe.at
http://www.zeitkunstnoe.at/


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