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Ungefragte Tipps: Infrastrukturen für morgen

«Ins Lokmuseum!» rief der Dreijährige mehrfach während der Feiertage, als wieder einmal die Frage anstand, wofür die langen Ferientage ohne Kindergarten genutzt werden könnten. Das «Lokmuseum», wie er das Technische Museum nennt, rangiert weit oben auf der Bubenliste, doch auch dem Wien Museum und seinem Spielbereich mit Kartonröhrenstadt im Atrium verdanken wir so manche Kurzweil im feiertäglichen Kinderdienst. Das «Kaputte Männer Museum», (das KHM benannt nach den antiken Torsi) ist kurzfristig in der Kindergunst etwas nach unten gesunken, währenddessen das gegenüberliegende «Tote Tiere Museum» seit einem Angstanfall vor einem Riesenfisch erst darauf harrt, neu entdeckt zu werden ... Kinder erinnern uns an den Wert öffentlicher, zugänglicher Infrastrukturen und an die damit verbundenen Bildungsaufgaben und Bildungschancen. Der Eisenbahnunterricht konnte an einem anderen Ort öffentlichen Lebens fortgesetzt werden, als wir zum Wiener Westbahnhof fuhren, um an aktuellen Modellen («wo ist denn der Kamin für den Rauch?») einen technologischen Zeitsprung über 150 Jahre nachvollziehbar zu machen. So streiften wir also durch einen – dank Bahnhofsoffensive – modernisierten Verkehrsknotenpunkt, und es war nicht nur der radikale Ausbau von Gastro- und Shopangeboten, der unsere Gedanken wieder zurück zu Kulturinstitutionen wandern lies, sondern auch die Frage, in welche Infrastrukturen denn heute investiert werden müsste, um die Fragen des 21. Jahrhunderts beantworten zu können? Der durch die Kinderlaunen von der Kunst weggeführte Blick fällt auf jene Lücken, die nach dem Kunstboom der letzten Jahrzehnte umso stärker ins Auge stechen: Während die Fülle an Kunstmuseen dafür sorgen wird, dass wir in diesem Jahr Gustav Klimt besser kennen lernen werden als uns lieb ist, wird es weiterhin schwierig sein, für zentrale Bildungsfragen – etwa in den Bereichen von Interkulturalität oder politisch-gesellschaftlicher Bildung – adäquate und vergleichbar großzügig ausgestattete Angebote zu finden. Hier bestünden phantastische Chancen für «Grands Projets» für einen Bruchteil des Investitionsvolumens im Bereich des Straßen- und Bahnausbaus. Dieses wurde im Jahr 2010 mit 18 Milliarden Euro für den Zeitraum 2010 bis 2016 angegeben, während etwa die Sanierung / der Neubau des 21er Haus mit 31 Millionen möglich war. Als Eisenbahnfans wollen wir die Bereiche zwar nicht gegeneinander ausspielen, doch die Konflikte der Gegenwart machen deutlich, dass wir irgendwann leistbare Angebote für die Begegnung der Gesellschaft notwendiger brauchen könnten als den Koralmtunnel. Jahreszeit- und kindgemäß könnte von «Wünschen an das Christkind» gesprochen werden, wenn man in Zeiten knapper Budgets für den Ausbau kultureller Infrastruktur wirbt. Prompt liefert der heutige Standard eine Umfrage zur Akzeptanz von Sparvorschlägen in der das «Aufschieben von Großbauvorhaben wie die Tunnelpläne der ÖBB» gleichauf mit dem «Kürzen von Subventionen für die Kultur» rangiert. Doch nicht nur die populistische Auswahl der abgefragten Optionen verwundert, sondern auch die völlige Unvergleichbarkeit der in Frage stehenden Größenordnungen. Wir bleiben also dabei: Mit vergleichsweise geringen Investitionen könnte und müsste sichergestellt werden, dass für Fragen wie «Mama, warum können wir nur eine Sprache?», «Müssen Kinder ins Gefängnis?» oder «Kann man alles kaufen?» Orte gesellschaftlicher Bildung und Vermittlung zur Verfügung stehen. Kulturpolitische Ehren und Chancen für nachhaltige Profilierung stünden also für jene bereit, denen es gelänge die bestehenden Dynamiken in den Feldern avancierter Kultur- und Sozialwissenschaften zu nutzen, diese katalysatorisch mit bestehenden und neuen institutionellen Akteur_innen zu verknüpfen und in umsetzungsfähige Projekte überzuführen. Als konkretes Beispiel könnte die Chance zur Wiederbelebung der Dynamik zwischen den Museen für Völkerkunde und Volkskunde ebenso dienen, wie neue Anläufe zu einem zeitgemäßeren «Haus der Geschichte» notwendig wären, das wohl sinnvoller als «Haus der Gesellschaft» gesehen werden sollte, was wiederum das ausbaufähige Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum in Erinnerung ruft. Indirekt damit verbunden wären höchste Meriten jenen gewiss, die in der Lage wären, die vielen Potenziale rund um das Wiener Wiesenthal Institut, das Archiv der israelitischen Kulturgemeinde und andere Zeitgeschichteinstitute moderierend und dynamisierend zur Entfaltung zu bringen. Einerseits stehen hochattraktive Themen für politische und/oder konzeptive Arbeit offen, während es bei anderen Inhalten reichen könnte, auf bestehende Pläne – etwa für ein Architekturmuseum oder neue Film- und Medienzentren – zurückzugreifen. Blickt man also über den engen Kunsttellerrand hinaus, gibt es also jede Menge Chancen für neue «interessante Häuser, mit Dingen, die wir nicht kennen», um auf eine Museumsdefinition meines Sohnes zurückzugreifen. Jetzt sind die Ferien vorbei und der Alltag wird nicht mehr im Museum gesucht. Im Kindergarten spielen sie «Schule», oder sie gehen in den – öffentlich finanzierten – Park. Doch am Freitag ist schon wieder «Lokmuseum» und nahende Geburtstage lassen wieder Wünsche wachsen. Und so trifft es sich, dass am letzten Mittwoch jene Bundesministerin ihr vierjähriges Amtsjubiläum feierte, deren Zuständigkeiten für Unterricht, Kunst UND Kultur ihr erlauben würden, alle Wünsche dieser Kolumne zu erfüllen.
Mehr Texte von Martin Fritz

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