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Gerhard Richter - Landschaft: Die Sehnsucht nach Gewölk

Malerei von Gerhard Richter - insbesondere Landschaft - zeigt das Kunstforum Wien in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich. Die Bilder stammen aus sechs Jahrzehnten und werden in dieser Zusammenschau erstmals präsentiert. Der heute 88-jährige deutsche Künstler, ein Titan seines Faches, gibt in Werk und Texten Einsichten zu seiner Arbeitsweise.

„Meine Landschaften sind ja nicht nur schön oder nostalgisch, romantisch oder klassisch anmutend wie verlorene Paradiese, sondern vor allem verlogen... und mit verlogen meine ich die Verklärung mit der wir Natur ansehen, die Natur, die in all ihren Formen stets gegen uns ist, weil sie nicht Sinn, noch Gnade, noch Mitgefühl kennt, weil sie nichts kennt, absolut geistlos, das totale Gegenteil von uns ist, absolut unmenschlich ... .“

1968 beginnt Gerhard Richter während eines Urlaubs auf Korsika Landschaften zu fotografieren. Das nüchterne Aufnehmen von Gesehenem, der Wahl des Ausschnitts und das zeitliche Einfrieren des Moments interessieren den Künstler. Aber nicht so sehr in ihrer Funktion als Fotografien sondern als Ausgangspunkt für malerische Überlegungen. 1972 zeigt er erstmals seinen „Atlas“ - sein Archiv von Fotografien, Zeichnungen, Collagen und Skizzen die als Vorlagen für seine großen Bildentwürfe dienen. In diesen kleinen Formen experimentiert er und beginnt damit Umsetzungen in große Formate anzudenken.

In der Ausstellung im Kunstforum sind nun sogenannte „ägyptische Landschaften“ aus den 1960er Jahren zu sehen, die in kleineren Formaten das gleißende Licht der Wüste einfangen. An den Bildrändern schichtet Richter altägyptische Skulpturen, deren Konturen in der flimmernden Hitze verschwimmen. In Zukunft wird Richter immer wieder mit Unschärfen und Verwischungen arbeiten. Damit erzielt er ein „fotorealistisches Aussehen“ der in Wahrheit verfremdeten Sujets.

Ab 1968 lassen sich in Richters Werk zwei künstlerische Wege festmachen. Zum Einen entwirft Richter die oben erwähnte gegenständliche Malerei, die aber bei genauer Betrachtung ebenfalls abstrahierende Tendenzen aufweist. Zum anderen entwickelt er eine in der abstrakten Kunsttradition stehende Malerei. Richter bearbeitet dabei mit der Rakel den Bildgrund und richtet damit Chaos und ein Fest der Farben an. In der Ausstellung sind diese Arbeiten als „Übermalte Landschaften“ zu sehen, wie das Großformat „Sankt Gallen“ von 1989, das ebenfalls im Kunstforum präsentiert wird.

Unter dem Titel „Romantisierende Bilder“, die Gerhard Richter auch als „Kuckuckseier“ bezeichnet, zeigt die Ausstellung Richters Auseinandersetzung mit der deutschen Romantik, insbesondere mit Caspar David Friedrich. In hohen Horizonten lässt er Abendstimmungen und Wolkenformationen entstehen, wo sich Landschaft und Himmel im Horizont scheinbar vereinen. Die sakral überhöhte Natur, wie Caspar David Friedrich die Erhabenheit der Landschaft deutete, gibt es so nicht mehr. Dennoch kommt Richter in diesen Arbeiten dem Metaphysischen sehr nahe.

Wie sehr die „Verlogenheit“ in der Landschaftsdarstellung von Richter zitiert wird, zeigt sich in seinen See- und Wolkenstücken, die zwischen 1969 und den 1998 entstanden sind. Die Kuratoren bezeichnen diese als „fiktionale Konstrukte“, da Aufnahmen von Meeresoberflächen mit auf dem Kopf gestellten Meeresansichten kombiniert werden. Den Horizont erfährt der Betrachter als Wolkengewirr. In Wahrheit ist es ein gekipptes Bild von Wasser. Mit diesen Finessen und Manipulationen arbeitet der Künstler Gerhard Richter virtuos.

Deshalb ist der Besuch dieser Ausstellung zu empfehlen. Wann hat man schon die Möglichkeit so leichtfüßig gute Kunst in diesen beengten Coronazeiten zu sehen.

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Das Kunstforum hat am Montag, den 2. November (dem Tag vor dem Lockdown) bis Mitternacht geöffnet!

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Gerhard Richter - Landschaft
01.10.2020 - 14.02.2021

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