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ars viva 2020: Dreiklang mit Misston

Gegenüber vom Kunstverein in Hamburg ist in der großen Deichtorhalle die Ausstellung „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ zu sehen. Dort wird vermeintlich „junge“, aber tatsächlich fast durchgängig recht altbackene Malerei in einer monomedialen Anhäufung gezeigt, die langweilt und verärgert zugleich. Ganz anders die ars viva-Ausstellung, die klugerweise auf mediale Vielfalt und politische Brisanz setzt. Ausgeklammert dagegen hat man hier wohltuender Weise die dezidierte Fokussierung auf „in Deutschland“.

Absolutes Highlight der großzügigen Präsentation ist Karimah Ashadus Film „Brown Goods“, 2020. Die im Stil eines engagierten Dokumentarfilms gedrehte 20minütige Arbeit erzählt die Geschichte von Emerka, einem nigerianischen Migranten, der am derzeitigen Endpunkt seiner Flucht in Hamburg angekommen ist. Dort versucht der ehemalige Student mit dem Handel mit Elektronikschrott zu überleben. Der Elektronikschrott, die „black goods“, werden dann an westafrikanische Staaten verkauft, drehen die Richtung seiner Flucht also gleichsam wieder um. Emerka spricht in dem Film in so subjektiver wie sachlicher Tonalität über sein vermeintliches „Schicksal“, das, wie schnell deutlich wird, ihm eben nicht schicksalshaft von „einer höheren Macht verhängt“ wurde, sondern vor allem auf politische Faktoren zurückzuführen ist. Kontrapunktisch zu dem Film verhalten sich die Skulpturen von Karimah Ashadu. Schrott wird von ihm nämlich künstlerisch veredelt und dabei gnadenlos aufgewertet, so etwa die Arbeit „Pipe Dreams“, 2020, zwei vergoldete Harley Davidson Auspuffrohre.

Gleich eingangs der oberen Halle des Kunstvereins wird der Besucher von Cemile Sahins Rauminstallation „Car, Road, Mountain“, 2020, empfangen. Auf einem großen Banner ist zu lesen „Imagine you were here“. Davor steht eine kleine Leinwand auf der bewegte Bilder von Straßen und Bergen zu sehen sind, die mit Worten wie „We see a mountain We see a road“ kommentiert werden. Imagination und Wahrnehmung hinterfragen sich so gegenseitig, eine Dialektik, die auch in den neun Fotografien der Installation zum Tragen kommt: Verschiedene Personen posieren dort vor dem in der Türkei stehenden Berg Ardahan. Dieser Berg nun wirft Schatten, die das Profil des Begründers der Republik Türkei Atatürk erscheinen lassen – das Sichtbare erweist sich als eine trügerische Realität, der die Imagination ein Schnäppchen schlägt.

Der Schwachpunkt der sehenswerten Ausstellung sind die Fotos von Thibaut Heinz, die einerseits fotografisch gut gemacht sind, anderseits aber so lapidar und beiläufig von dem Brüsseler Alltag nicht nur des Künstlers berichten, dass sie fast schon nichtssagend daherkommen.

Mehr Texte von Raimar Stange

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ars viva 2020
15.02 - 31.05.2020

Kunstverein in Hamburg
20095 Hamburg, Klosterwall 23
Tel: +49 40 33 83 44, Fax: +49 40 32 21 59
Email: hamburg@kunstverein.de
http://www.kunstverein.de/
Öffnungszeiten: Di-So 12-18 h


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